Marco Schönecker: Der Alltag nach dem Einsturz
Porträt: Marco Schönecker überstand das Archiv-Unglück von Köln unversehrt – und sucht den Weg zurück zur Normalität.
Köln. Wenn Marco Schönecker an dem Loch in der Kölner Severinstraße vorbeikommt, ist der Anblick noch immer ein Schock. Seine Wohnung, das ganze Haus Nummer 232 - weg. Abgerissen nach dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs. Drei Monate nach dem Unglück ist in Schöneckers Leben zwar der Alltag wieder eingekehrt, aber noch lange keine Normalität. "Trotzdem überwiegt die Freude, dass mir nichts passiert ist. Ich fühle mich als Glückskind."
Der Berufsschullehrer war noch in der Schule, als er am 3.März den Anruf einer Nachbarin erhielt: Das Archiv sei eingestürzt, die Gebäude rundherum kaputt. Als der 38-Jährige sich mit dem Fahrrad auf den Weg machte, sah er schon von weitem ein Heer von Rettungsfahrzeugen. Tage später herrschte traurige Gewissheit über das Schicksal zweier junger Männer, die in dem eingestürzten Nachbarhaus Nummer 230 wohnten: Sie waren zum Zeitpunkt der Katastrophe daheim und hatten keine Chance.
Schönecker und viele andere wussten zunächst nicht, ob sie ihr marodes Haus noch mal betreten könnten. Nach tagelanger Ungewissheit dann die Nachricht: Begleitet von der Feuerwehr durften die Bewohner ihre Wohnungen ausräumen. "Als wir da reingingen, war das ein mulmiges Gefühl - weil das Haus einsturzgefährdet war, aber auch, weil klar war, dass ich zum letzten Mal in meine Wohnung gehen würde."
Heute sind Schöneckers Möbel noch immer eingelagert, er wohnt vorläufig bei seinen Eltern in Euskirchen. Bei der Suche nach einer neuen Wohnung möchte er sich Zeit lassen. "Falls ich wieder nach Köln ziehe, dann auf keinen Fall in die Nähe der neuen U-Bahn", betont er. Der Bau der neuen Nord-Süd-Strecke, die unmittelbar am Stadtarchiv entlangführt, gilt als wahrscheinliche Ursache für das Unglück.
Schon am Tag nach dem Unglück ist Schönecker wieder arbeiten gegangen - "um mich abzulenken". Verwandte, Freunde, Schüler und Kollegen zeigten große Anteilnahme, wollten aber auch genau wissen, wie es ihm ergangen sei. "Ich habe viel über das Geschehene gesprochen. Das hat mir auch bei der Verarbeitung geholfen." Als sehr positiv habe er außerdem die Betreuung durch die Stadt Köln, die Feuerwehr und die Hilfsorganisationen empfunden. Von den Kölner Verkehrs-Betrieben erhielt er wie andere Betroffene eine Vorleistung von 10000 Euro. Wer die Schuld an dem Unglück trägt und für die Schäden aufkommen muss, ist noch unklar.
"Was passiert wäre, wenn ich zum Unglückszeitpunkt zu Hause gewesen wäre - die Frage verdränge ich", sagt er. "Aber ich bin jemand, der nach vorne schaut."