Mari Jungstedt : "Mich interessieren die Mörder"

Mit ihren Krimis hat die schwedische Journalistin Karriere gemacht. Ihre Romane, die auf der Ostsee-Insel Gotland spielen, werden vom ZDF verfilmt.

Düsseldorf. "Hej, Du bist aus Deutschland gekommen, um mit mir zu sprechen?" Die schlanke, hoch gewachsene Frau lacht mich an. "Gibt es denn bei Euch Menschen, die mich kennen?" Zumindest gibt es viele, die die Bücher der 44-Jährigen lesen - Krimis, die auf der Ostsee-Insel Gotland spielen.

Wenn man die Blicke der Passanten auf Stockholms Straßen richtig deutet, scheint Mari Jungstedt in der Hauptstadt des schwedischen Königreiches überaus populär zu sein. "Na klar, mein Gesicht kennen in Schweden viele", erzählt sie, "ich habe gut zehn Jahre beim schwedischen Fernsehen als Nachrichtensprecherin gearbeitet."

Gegenwärtig moderiert Jungstedt beim größten Privatsender TV 4 die Frühabend-Talkshow "Förkväll" ("Vorabend") direkt aus einem gläsernen Studio im Stockholmer Hauptbahnhof. "Eigentlich hatte ich mit der Arbeit beim Fernsehen schon aufgehört", sagt sie, "wegen des Schreibens fehlte mir die Zeit."

Der Erfolg als Autorin kam überraschend. Jungstedt erinnert sich: "Nachdem ich im Fernsehen immer nur kurze Nachrichtenmeldungen geschrieben und vorgetragen hatte, wollte ich unbedingt aus diesem Format ausbrechen. Ich hatte schon als Kind mit dem Schreiben angefangen, und Kriminalromane interessierten mich schon immer."

Mit der Idee für einen Plot und einigen Dutzend Seiten saß die Journalistin schließlich einem Verleger gegenüber. Doch der wollte, dass sie den Roman zu Ende schreibt. Was Jungstedt auch tat.

"Dann klingelte eines Tages mein Mobiltelefon, als ich gerade mit einer Freundin bei Ikea bummelte. Es war der Verleger. Er wollte mein Buch tatsächlich drucken. Ich bin vor Schreck fast in die Auslage mit den Lampen gefallen", erzählt sie weiter.

Die Geschichten um den gotländischen Kommissar Anders Knutas, den TV-Journalisten Johan Berg und dessen verheiratete Freundin faszinieren seitdem nicht nur die Menschen in Schweden. In den skandinavischen Ländern wird sie verlegt, in Deutschland, inzwischen auch in den Niederlanden, in Großbritannien, den USA und in Frankreich.

Vier Romane hat die Schwedin bereits geschrieben. Der fünfte Psychothriller entsteht gerade. "Mich interessieren vor allem die Mörder und ihre Motive, die verschiedenen Facetten der Persönlichkeit, die die Verbrechen nachvollziehbar machen. Es geht mir weniger darum, auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen", so die Autorin.

Und doch verknüpft sie immer wieder psychologische Aspekte mit gesellschaftlichen Phänomenen. Einmal bietet das pietistische Milieu einer frömmelnden Familie den Nährboden für Verbrechen, ein anderes Mal der Fanatismus von Anhängern germanischer Götterverehrung.

Bei der Lektüre der Wallander-Romane von Henning Mankell erscheint der harmlose südschwedische Fährhafen Ystadt zunehmend als Zentrum der Gewaltkriminalität. Sind die brutalen Verbrecher nun nach Gotland weiter gewandert?

Jungstedt lacht: "Es sieht fast so aus, oder? Nein, nein, aber Gotland ist bestens als Schauplatz für Krimis geeignet. Die besondere Insellage wirkt wie eine Bühne, der das Böse bedrohlich immer näher rückt. Die landschaftlichen Gegensätze, die schroffe Schönheit des Eilands, dazu eine reiche Geschichte mit der mittelalterlichen Hauptstadt Visby bieten eine ideale Kulisse. Außerdem kenne ich Gotland sehr gut. Mein Mann stammt von der Insel, wir haben Verwandte dort und ein Ferienhaus, in dem wir uns auch mit unseren beiden Kindern oft aufhalten."

Ist Jungstedt angesichts ihres Höhenfluges überhaupt noch empfänglich für Kritik? "Aber sicher. Ich versuche ständig, mich zu verbessern. Dabei helfen mir konstruktive Änderungsvorschläge sowohl am Stil als auch an der Konstruktion der Plots."

Viele Leser lieben die Bücher, weil sie spannend sind, schnörkellos und mit wachsendem Tempo geschrieben. Und weil die Figuren ein Eigenleben haben, das sich von der Krimi-Handlung löst.

Gibt es Vorbilder für die Personen in den Romanen? "Ja und nein. Ich beobachte die Menschen, sehe Eigenschaften und Verhaltensweisen, aber als Schriftstellerin habe ich ja gerade die Möglichkeit, mit meiner Phantasie über die Realität hinaus zu gehen und etwas Neues zu erfinden. Natürlich haben mich schon viele Kollegen aus dem Fernsehen gefragt, ob sie das Vorbild für Johan Berg sind. Er hat seine Eigenheiten und Widersprüche, ist aber eine sympathische Figur."

Verfilmt Die Bücher von Mari Jungstedt werden vom ZDF verfilmt und unter dem Titel "Der Kommissar und das Meer" als Krimireihe gezeigt. Bereits im Kasten sind die TV-Versionen der beiden Romane "Den du nicht siehst" und "Näher als du denkst". Derzeit laufen die Dreharbeiten auf Basis der Romane "An einem einsamen Ort" sowie "Sommerzeit". Die Hauptrolle des Kommissars spielt Walter Sittler. Sendetermine stehen noch nicht fest.

Bücher Die deutschen Fassungen der Romane von Mari Jungstedt sind alle im Heyne Verlag erschienen.

Internet Mehr über die Autorin im Netz unter www.marijungstedt.se