Matrose schuld an U-Boot-Unglück?
20 Tote: Besatzungsmitglied soll bereits ein Geständnis abgelegt haben.
Moskau. Nach dem Gasunglück an Bord des russischen Atom-U-Boots Nerpa mit 20 Toten machen die Behörden ein Besatzungsmitglied für das Drama verantwortlich. Ein Matrose habe ohne Grund das Feuerlöschsystem des Unterseeboots ausgelöst, teilte eine Untersuchungskommission nach Angaben der Nachrichtenagentur Ria Nowosti gestern mit. Der Mann habe sein Fehlverhalten bereits zugegeben. Unabhängige Verteidigungsexperten und Kameraden des Beschuldigten befürchten dagegen, dass der Matrose als Sündenbock herhalten muss.
Bei dem Unglück waren am Samstag bei einem Testlauf der Nerpa im Japanischen Meer 20 Menschen ums Leben gekommen und 21 verletzt worden. Die Opfer waren erstickt, nachdem das von der Löschanlage freigesetzte Gas Freon der Luft den Sauerstoff entzogen hatte. "Die Untersuchungen haben ergeben, dass ein Matrose das Feuerlöschsystem ohne Anweisung und ohne ersichtlichen Grund ausgelöst hat", sagte Wladimir Markin, Sprecher der Untersuchungskommission. Allerdings setzten die Ermittler ihre Arbeit noch fort. Gegen den Matrosen wurde den Angaben zufolge ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet. Im Fall einer Verurteilung drohen ihm bis zu sieben Jahre Haft.
Das Verteidigungsministerium in Moskau rief dagegen dazu auf, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Ein Offizier der Nerpa nahm seinen Kameraden in Schutz. "Wir glauben nicht, dass er bewusst oder aus Versehen das Feuerlöschsystem ausgelöst hat. Ich diene schon lange mit ihm, seit 2003. Er war kein Anfänger, sondern ein kompetenter Spezialist", sagte der Offizier. Er glaubt, dass der Matrose unter Druck gesetzt worden sei, um ein Geständnis abzugeben. "In Russland gibt es immer die Neigung, einen Sündenbock zu suchen", sagte der Verteidigungsexperte Pawel Felgenhauer.
Ursache für die meisten dieser Unglücke sei der Mangel an qualifiziertem Personal seit dem Ende der Sowjetunion. Alexander Golz, Verteidigungsfachmann beim Magazin Jeschednewni Journal, nannte es "absolut unfair", dass ein einzelner Matrose an dem Drama schuld sein solle. Medienberichten zufolge könnten auch defekte Gasmasken für eine große Zahl der Toten verantwortlich sein. Die Boulevardzeitung Twoi Den zitierte den Offizier Jewgeni Owsjannikow, dessen Maske nur "sieben bis 15 Minuten" funktioniert habe. Ein anderer Überlebender, Dimitri Usachjow, sagte, einige der Toten seien mit aufgesetzten Gasmasken gefunden worden. "Die Masken haben einfach nicht funktioniert", sagte Usachjow dem Blatt.
Generalstabschef Nikolai Makarow bezeichnete die Nerpa dennoch als "voll einsatzfähig". Das Schiff werde nun endgültig zur Nutzung durch die russische Marine zugelassen.