Michelin: Alte und neue Sterne für Spitzenrestaurants
Karlsruhe (dpa) - Die deutsche Top-Gastronomie ist um einen neuen Drei-Sterne-Koch und zehn Zwei-Sterne-Restaurants reicher.
Thomas Bühner vom Restaurant „La Vie“ in Osnabrück wurde im Restaurantführer „Michelin“ in die Riege der weltbesten Köche aufgenommen. Dagegen ist Nils Henkel aus Bergisch Gladbach der dritte Stern wieder aberkannt worden.
Norddeutschland schnitt in dem einflussreichen Restaurantführer mit dem Aufstieg Bühners und je zwei Zwei-Sterne-Häusern in Berlin, Hamburg und Schleswig-Holstein besonders gut ab. In Berlin sind es „Lorenz Adlon“ und „Reinstoff“, in Hamburg „Haerlin“ und „Jacobs“, in Schleswig-Holstein „Buddenbrooks“ (Lübeck-Travemüde) und „La Mer“ (List auf Sylt). Dazu kommen in Bayern „Schwingshackl Esskultur“ (Bernried) und „Kastell“ (Wernberg-Köblitz) und in Nordrhein-Westfalen „Rosin“ (Dorsten) und „La Vision“ (Köln).
„Wir haben eine goldene Generation von jungen Köchen mit Top-Ausbildung, die ehrgeizige Ziele verfolgen“, sagte der Chefredakteur der roten Gourmet-Bibel, Ralf Flinkenflügel, der dpa. „Viele haben eine eigene Handschrift entwickelt, kochen sehr technisch, ohne aber den Geschmack oder die Harmonie ihrer Gerichte zu vernachlässigen.“ Die Zahl der Sterne-Restaurants stieg insgesamt von 237 auf 249. Auch die Gruppe der Restaurants, die sorgfältig zubereitete preiswerte Mahlzeiten anbieten, vergrößerte sich von 386 auf 431.
Im Trend der Spitzenköche liegen modernisierte regionale Rezepte und die nordische Küche. „Dabei wird Gemüse mehr und mehr in Szene und geschickter eingesetzt“, urteilt Flinkenflügel. Das gilt auch für Bühner in Osnabrück, der auf seinen Tellern bis zu 20 einzeln bearbeitete Zutaten raffiniert zusammensetzt und zur Aromaverstärkung modernste Techniken wie einen Vakuumverdampfer nutzt. Der 49-Jährige ist neben Sven Elverfeld in Wolfsburg jetzt der zweite Drei-Sterne-Koch in Norddeutschland.
„Ich war sprachlos, als ich die Nachricht bekommen habe“, sagt der 49 Jahre alte Sternekoch des Restaurants „La Vie“. Bühner bekam den Anruf, als er im Wald spazieren war. Er sei fast umgefallen, erzählt er. „Ich habe meine Frau angerufen, und wir haben gesagt, wir machen erst einmal einen ganz ruhigen Abend und lassen das alles auf uns wirken.“
Im allgemeinen Aufwärtstrend ist die Abwertung für den 42 Jahre alten Nils Henkel in Bergisch Gladbach besonders bitter. Der Nachfolger von Altmeister Dieter Müller im „Schlosshotel Lerbach“ nennt sich „Gourmet-Architekt“. Doch konnte sein neues Konzept „Pure nature“ mit kreativ angerichteten besten Naturprodukten die Tester nicht voll überzeugen.
Henkel werde dennoch daran festhalten, sagte der Direktor des Schlosshotels Lerbach, Christian Siegling. „Wir stehen komplett hinter Herrn Henkel“, versicherte er. Henkels Nachbar Joachim Wissler in Bergisch Gladbach steht weiter in der Riege der neun Drei-Sterne-Köche in Deutschland.
Die Abwertung eines bekannten Vertreters der jungen deutschen Köchegeneration ist keine leichte Entscheidung. Bei „Michelin“ finden seit jeher vor wichtigen Auf- oder Abstufungen mehrere Testessen mit deutschen und internationalen Inspektoren statt. Abwertungen können wirtschaftlich schmerzhaft sein und sogar vor Gericht führen. Im Mai hatte ein Restaurantbesitzer aus Nordrhein-Westfalen mit der Klage gegen die Abwertung in einem Feinschmecker-Magazin vor dem Oberlandesgericht Köln Erfolg. Der Rechtsstreit, bei dem es um die Sorgfalt der Bewertungen geht, ist noch nicht beendet.
Insgesamt 13 Sterne wurden im „Michelin“ gestrichen - manche, weil die Restaurants schlossen, andere wegen gesunkener Leistung. Dabei verlor das „Hummer-Stübchen“ in Düsseldorf den zweiten Stern. Im Trend nach oben wurden fünf Köche als Hoffnungsträger für einen zweiten Stern bewertet, darunter die prominenten Berliner Tim Raue und Michael Hoffmann („Margaux“).
Berlin ist nun auch die Stadt mit den meisten Sternerestaurants (13), vor München (11), und Hamburg (9). Bei den Bundesländern liegt Baden-Württemberg weiterhin vorn, mit 58 Sterne-Restaurants vor Bayern (40) und Nordrhein-Westfalen (38). Im Osten führt Mecklenburg-Vorpommern mit jetzt sieben Sterne-Restaurants.
Baiersbronn im Schwarzwald ist nach der Abwertung Henkels wieder der einzige Ort in Deutschland mit zwei Drei-Sterne-Restaurants. Dabei stellt Harald Wohlfahrt in der „Schwarzwaldstube“ einen neuen Rekord auf, weil er die höchste Auszeichnung jetzt ohne Unterbrechung seit 20 Jahren hält.
Von Krise gibt es in Baiersbronn keine Spur. „Wir machen das beste Geschäft seit jeher“, sagt Wohlfahrt. An die Zukunft denke er jetzt in Fünf-Jahres-Schritten. Wohlfahrt lacht: „Irgendwann geht jeder auf die Schlachtbank, aber ich bin noch nicht so weit.“