Mina Salehpour ist Expertin für bittersüße Gefühle
Hannover (dpa) - Sie bezeichnet sich als Playstation-Junkie, liebt amerikanische Serien und sah sich im Kino mit Begeisterung den Dinosaurier-Blockbuster „Jurassic World“ an. Die Einflüsse der Popkultur sind in den grell-bunten Theater-Inszenierungen von Mina Salehpour nicht zu übersehen.
Im Jugendstück „Monster“ am Schauspiel Hannover zum Beispiel gibt es schnelle Schnitte, Werbeblöcke und Elemente aus der Fantasy-Welt eines Online-Rollenspiels. Die 30-jährige Regisseurin setzt auf Klamauk, aber auch auf poetische Momente. Dann wischen sich die Zuschauer verstohlen Tränen aus den Augenwinkeln.
Nach dem Abitur schnupperte Mina Salehpour zum ersten Mal Theaterluft hinter den Kulissen - bei einem Praktikum. Sie fing Feuer, seitdem ist das Theater Minas Welt. Den Großteil ihres Lebens verbringt die gebürtige Iranerin, die als Asylbewerberin zunächst nach Oberfranken kam, zusammen mit Schauspielern. Ihre erste eigene Inszenierung am Schauspiel Frankfurt war gleich eine Uraufführung: „Heute bin ich blond“ nach dem autobiografischen Roman von Sophie van der Stap, die mit 21 Jahren an Krebs erkrankte.
Ihre Regie-Premiere am Schauspiel Hannover feierte Mina Salehpour mit „Invasion!“ von Jonas Hassen Khemiri, einem schwedischen Autor mit tunesischen Wurzeln. Gerade zu Beginn ihrer Karriere wurden ihr häufig Stoffe angeboten, die sich um Flucht und Migration drehten. „Ich wollte mich aber nicht auf diese Schiene festlegen lassen“, sagt die zierliche Theatermacherin, die mit ihrem Freund in Hannover lebt, aber mehr als die Hälfte des Jahres in anderen Städten arbeitet oder sich auf Reisen inspirieren lässt.
Inzwischen kann sich die Künstlerin aussuchen, welche vier bis fünf Stücke sie pro Spielzeit realisiert. Für ihre Inszenierung von „Unter Jungs“ am Berliner Grips Theater wurde sie vor zwei Jahren mit dem renommierten Theaterpreis „Der Faust“ geehrt. Dieses Jahr folgen Engagements unter anderem an der Berliner Schaubühne und am Volkstheater München.
Eine Vorliebe hat Mina Salehpour für phantastische Stoffe. „Realismus interessiert mich nicht auf der Bühne“, sagt sie. Das Theater sollte zwar politisch sein, sich aber nichts aneignen, nicht persönliches Leid auf die Bühne zerren, ist ihre Überzeugung.
„Ich finde ein Musical, das in einem Asylbewerberheim spielt, wahnsinnig witzig. Dort passieren Dinge, die sind einfach lachhaft“, weiß die Regisseurin aus eigener Erinnerung. Als kleines Mädchen verbrachte Mina Salehpour selbst zwei Jahre in einem Flüchtlingsheim und wurde dann mit ihrer Familie in den Iran abgeschoben. Als Elfjährige kam sie wieder nach Deutschland, nachdem ihr vorgereister Vater mit seinem Asylantrag im zweiten Anlauf Erfolg hatte.
Mina Salehpour ist Expertin für bittersüße Gefühle. In ihren Inszenierungen liegen Lachen und Weinen dicht beieinander. „Nur die gemischten Gefühle sind die echten“, zitiert sie den großen Theatermacher George Tabori.
Der Schauspieldirektor des Staatstheaters Karlsruhe, Jan Linders, schätzt Mina Salehpours „unglaubliche Energie und Liebenswürdigkeit, Offenheit und Willensstärke“. Sie sei eine große Teamarbeiterin. „Ich kenne keinen Schauspieler, der sie nicht sofort in sein Herz geschlossen hat und dann bereit war, mit ihr überall hinzugehen“, sagt Linders. Dass die gebürtige Teheranerin und andere Frauen mit Migrationsgeschichte an deutschen Theatern arbeiteten, sei ein Zeichen dafür, dass sich die Gesellschaft verändert habe und die Bühnen endlich auf diesen Wandel antworteten.