Missbrauchsopfer sollen entschädigt werden
Beauftragte fordert auch Geld für Betroffene nach Übergriffen in der Familie.
Berlin. „Wissen Sie, bei mir und meiner Schwester hat der sexuelle Missbrauch sehr, sehr früh angefangen. Wir waren höchstens drei Jahre alt.“ Dann schildert das anonyme Opfer seinen Leidensweg.
Es sind Briefe wie diese, die in den vergangenen Monaten bei der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Christine Bergmann, eingegangen sind. Bergmann sammelte Vorschläge, Anregungen und Kritik der Opfer. Am Dienstag legte sie ihren Abschlussbericht vor.
Bergmanns Vorschlag: Institutionen sollen für Therapien für die Opfer aufkommen, die bei ihnen missbraucht wurden. Der Bund soll bei den Opfern familiären Missbrauchs einspringen, die ansonsten niemanden haben, von dem sie Geld bekommen könnten.
Auch sollen Einrichtungen wie die Kirche oder Verbände freiwillig Entschädigungen zahlen. Die ehemalige Familienministerin gibt die gesetzliche Schmerzensgeldtabelle als Orientierungsmarke — für drastischste Fälle bis 50.000 Euro.
Was aber tatsächlich umgesetzt wird, steht noch in den Sternen. Der Runde Tisch zur Aufarbeitung sexueller Missbrauchsfälle muss erst noch klären, ob er sich den Empfehlungen anschließt. Das letzte Wort hat die Politik. Auf die Frage, ob sie deswegen schon vorgefühlt hat, räumt die Beauftragte ein: „Da werden wir noch etwas kämpfen müssen.“
Es war die Politik selbst, die dem Runden Tisch und der Beauftragten im Frühjahr 2010 ausdrücklich mit auf den Weg gegeben hat, auch den sexuellen Missbrauch in Familien einzubeziehen.
Bergmann nahm diesen Auftrag ernst und suchte auch nach Hilfen für die Opfer der Missbrauchsfälle, bei denen Vater oder Onkel die Täter waren. „Wenn man Empfehlungen von mir verlangt, darf man sich nicht wundern, wenn sie kommen“, sagt Bergmann. Man könne schließlich nicht zwei Klassen von Opfern haben.
In weiser Voraussicht legte Bergmann ihren Bericht weit vor dem geplanten Ende ihrer Arbeit im Herbst vor, um selbst noch den Kampf um die Umsetzung ihrer Vorschläge bestreiten zu können. Die Zeit drängt: Im Herbst will auch der Runde Tisch seine Arbeit abschließen.
Nun wird sich zeigen, ob die Politik und die betroffenen Einrichtungen es mit den Missbrauchsopfern ernst meinen. Die katholische Kirche schlug bereits einen eigenen Weg ein. Sie will Opfer mit bis zu 5.000 Euro entschädigen.
Damit käme sie in vielen Fällen wohl billiger weg als mit Bergmanns Entschädigungsmodell. Kaum Bereitschaft, Entschädigungen zu zahlen, zeigte bislang der Sport. Verbände und Politik — sie alle sitzen am Runden Tisch. Gibt es dort keinen Konsens, gibt es auch keine große, gemeinsame Lösung.