Mit dem Storch kommt der Frühling
Bergenhusen (dpa) - Majestätisch zieht ein Weißstorch seine Kreise am strahlend blauen Himmel über Bergenhusen (Kreis Schleswig-Flensburg). Aus einem Nest schmeißt einer dieser imposanten Vögel Dreck und überschüssiges Nistmaterial.
Ein paar Meter weiter führen zwei Störche einen Paarungstanz auf.
Überall hört man das charakteristische Klappern. Es ist Frühling in Schleswig-Holsteins Storchendorf, das der berühmte Tierfilmer Heinz Sielmann 1959 mit seinem Film „Im Dorf der weißen Störche“ bundesweit bekanntgemacht hat.
18 Weißstorchpaare haben bereits ihre Nester bezogen. Einige von ihnen sind erst vor wenigen Tagen aus Spanien oder Afrika hierher zurückgekommen, andere brüten oder kümmern sich sogar schon um die ersten Jungtiere. Ähnlich viele wie in den Jahren zuvor. „Der Bestand ist stabil bis leicht ansteigend“, sagt Kai-Michael Thomsen, Weißstorchexperte des Michael-Otto-Instituts im Nabu.
Und auch landesweit könne von einem Wiedererstarken der Population gesprochen werden: Insgesamt haben im vorigen Jahr 270 Paare in Schleswig-Holstein gebrütet, 2010 waren es nur 207 Paare. Dass es wieder mehr Störche gibt, liegt laut Thomsen unter anderem daran, dass sie oft nicht mehr so weite und gefährliche Wege bis in ihre Winterquartiere zurücklegen und es daher weniger Verluste gibt. Oft fliegen die Tiere nur noch bis Spanien, wo sie auf Müllkippen ausreichend Nahrung finden.
Die größte natürliche Weißstorchkolonie Schleswig-Holsteins lebt laut Thomsen in dem 720-Seelen-Dorf Bergenhusen in der Eider-Treene-Sorge-Niederung. Hier fänden die Weißstörche alles, was sie brauchen, sagt der Biologe Thomsen. Zum einem ist das Nahrungsangebot in der Niederung gut, und zum anderen liegt der Ort erhöht auf dem Stapelholm - für die Segelflieger eine ideale Ausgangslage für Starts und Landungen.
Ideal ist der Ort auch für die Weißstorchforscher des Michael-Otto-Instituts. In den vergangenen Jahren habe sich das Institut zum Zentrum der internationalen Weißstorchforschung entwickelt, heißt es auf der Institutshomepage. Aber nicht nur Wissenschaftler können sich in dem reetgedeckten Haus austauschen - während der Saison erfahren Storchenfreunde in einer Ausstellung mehr über das Leben der Vögel und die Region, und auch Exkursionen werden angeboten. Es gibt einen Rundweg an den Nestern vorbei und durch die Futtergebiete. Überall im Dorf stehen Tafel mit Infos rund um den Storch.
„Wir profitieren schon von den Störchen“, sagt Bergenhusens Bürgermeister Helmut Schriever. Gerade auch die Gastronomie, die es mit dem Gasthof „Hoier Boier“ (die örtliche Bezeichnung für Storch) und dem Bistro „Storchenschnabel“ seit einigen Jahren wieder im Dorf gebe. Vor allem Tagesgäste kämen in den Ort, sagt Schriever. Darunter immer mehr Dänen - was auch an diesem Tag Ende April zu sehen ist.
Auch die Bewohner freuen sich jedes Jahr auf die Ankunft der großen, schwarz-weißen Vögel mit dem roten Schnabel. „Irgendwie fängt dann der Frühling an“, findet der Bürgermeister und hauptberufliche Landwirt. „Jeder hofft, dass er einen Storch abkriegt.“ 25 Nistgelegenheiten gibt es derzeit in dem idyllischen Örtchen. Eigentlich genug, aber die Tiere streiten sich dennoch um die Nester.
Schrievers haben dieses Jahr wieder Glück. Das Nest auf ihrer Scheune ist besetzt. Es scheint aber so, als ob ein weiterer Storch durchaus Interesse an dem Brutplatz hat. Er zieht weite und engere Kreise um das Nest, was von den Bewohnern mit einem nicht sehr freundlich klingenden Schnabelgeklapper quittiert wird.
„Storchenkämpfe, die haben wir auch“, sagt Thomsen. Ein Grund sei, dass die Vögel an ihren Brutplätzen hängen. „Störche sind treu, aber nur ihrem Nest.“ Sie führen eine Saisonehe und ziehen dann im Herbst durchaus in verschiedene Richtungen: Der eine fliegt vielleicht gen Westen und nur bis nach Spanien, andere über die Ostroute weiter ins südliche Afrika. Wenn dann ein Storch eher zurück in der Heimat ist, könne es sein, dass er sich einen neuen Partner sucht. Wenn dann der alte Partner auch in den Horst zurück möchte, kann es schon mal zu Streitigkeiten kommen.