Model Eveline Hall: „Der Laufsteg ist nichts für Alte“
Mit 68 Jahren ist Eveline Hall ein gefragtes Model auf den Catwalks. Nun hat sie ihre Biografie veröffentlicht.
Düsseldorf. Eveline Hall ist 68 Jahre alt und auf den Laufstegen dieser Welt zu Hause. Im Interview erzählt das Model, wieso Schönheitsideale sich nicht ändern und warum alte Menschen auf dem Catwalk eigentlich nichts verloren haben.
Frau Hall, Schönheit wird im Normalfall zuerst mit Jugend in Verbindung gebracht, insbesondere, weil wir damit Makellosigkeit assoziieren. Könnte sich daran etwas ändern, wenn mehr ältere Models wie Sie auf den Laufstegen erscheinen?
Eveline Hall: Nein. Alte Menschen werden auch künftig nicht die Laufstege fluten. So viele, die die Voraussetzungen dafür mitbringen, gibt es nämlich nicht. Die Bedingungen sind knallhart: Sie brauchen die Figur eines jungen Mädchens. Ich hatte das Glück, dass bei mir der berufliche Vorlauf gestimmt hat, ich bin Tänzerin, Schauspielerin. Wenn man ganz normal gelebt hat und dann mit Mitte 50 meint, man könne jetzt den Laufsteg erobern, klingt das in meinen Ohren eher weltfremd. Alte Menschen gehören eigentlich nicht auf den Catwalk.
Beruht die Schönheit eines Menschen mehr auf seinen Genen — oder auf seinen Lebenserfahrungen?
Hall: Auf einer Mischung aus beidem. Erfahrungen sind wichtig, aber wenn er intensiv lebt, kann die auch ein junger Mensch gemacht haben und entsprechend ausstrahlen. Und den Spruch von den Genen kann ich langsam nicht mehr hören! Aussehen hängt schließlich auch davon ab, wie der Einzelne sein Leben gelebt hat.
Die Frauenzeitschrift Brigitte hat einmal versucht, Profimodels aus dem Blatt zu verbannen, stattdessen wurden Aufnahmen mit normalen Frauen gemacht.
Hall: Das finde ich idiotisch, die Aktion wurde nach drei Jahren ja auch beendet. Das war ein Aufbauschen von etwas Neuem, unter Missachtung der Tatsache, dass sich das Alte nie ändern wird.
Wie meinen Sie das?
Hall: In der Mode wird es niemals etwas Anderes geben als Kleidergröße 36 und überschlanke Models. Anders funktioniert es nicht, weil die Industrie nach einer Norm abläuft: Es werden Kleider hergestellt und die werden in Größe 36 vorgeführt. In der Größe passt alles problemlos und die Kleider können bei den Schauen schnell gewechselt werden.
Wäre für Sie auch ein anderer Beruf denkbar gewesen?
Hall: Ich wäre gerne Orthopädin geworden. Das kommt mir vom Tanz sehr nahe. Ich bin in einem Umfeld groß geworden, wo der Körper mit all seinen Tücken sehr bewusst gemacht wurde. Und ich hatte in der Schule Anatomie und daneben viele medizinische Bücher gelesen.
Sie stehen oft neben jungen Frauen auf dem Laufsteg. Was bedeutet „Alter“ für Sie?
Hall: Solange ich noch spüre und fühle, was in mir ist und auch das Äußere noch in der Form rüberbringen kann, kann ich mir darüber keine Gedanken machen. Meine Mutter ist 92 — nicht mal die macht das. Aber der Moment wird kommen, an dem ich sage: So, jetzt ist der Vorhang gefallen. Jetzt ist Schluss.