Trondheim: Eine halbe Milliarde Reichsmark in norwegischer Orgel gefunden
Bei der Restaurierung der großen Orgel im Trondheimer Nidarosdom haben Orgelbauer mehr als 500 Millionen Reichsmark gefunden. Das Geld stammt aus den 1920er Jahren, in einem Begleitschreiben klagt einer der Erbauer des Instruments über Not und Leid der Inflationszeit.
Trondheim. Im Jahre 1930 erlebte das von Kriegsreparationen und der Inflation hart getroffene Deutsche Reich nach dem Börsen-Crash in den USA und Europa die nächste große Wirtschaftskrise. Inmitten dieser harten Zeiten traf ein Orgelbauer im bayrischen Oettingen eine folgenschwere Entscheidung.
August Sieber baute an der damals größten Orgel Nordeuropas. Sie war für den Nidarosdom in Trondheim bestimmt, der Krönungskirche der norwegischen Könige. Im Inneren dieser Orgel mit 9600 Pfeifen hinterließ der Orgelbauer eine Botschaft an die Nachwelt und mehr als 500 Millionen Reichsmark aus den 1920er Jahren. Es sollte mehr als acht Jahrzehnte dauern, bis die Botschaft des Orgelbauers entdeckt wurde.
83 Jahre später erzählt Per Fridtjov Bonsaksen gerne von dem Tag, als ihn die Nachricht von dem spektakulären Fund erreichte. Der 67-Jährige war lange Zeit Dom-Organist in Trondheim und leitet nun die 7,5 Millionen Euro teure Restauration des Instruments durch eine Schweizer Firma.
„Geld und Brief waren in einer Windlade versteckt“, sagt Bonsaksen. Bei der Reinigung des Kastens, durch den Luft in die Orgelpfeifen geleitet wird, fanden die Orgelbauer des 21. Jahrhunderts die Botschaft aus der Zeit der Weimarer Republik.
Zwölf Geldscheine, von einer Reichsmark bis hin zur heute unvorstellbaren Summe von 500 Millionen Mark auf einem Schein, sind jetzt im Besitz des Norwegers, der zurzeit den Wiederaufbau der Orgel im Nidarosdom beaufsichtigt. Das Geld — das war schnell klar — hat heute nur noch Sammlerwert.
Das beiliegende Schreiben zu entziffern, war das eigentliche Rätsel. Mittlerweile konnte die schwer lesbare Handschrift entziffert werden: Es ist ein trauriges Zeugnis der wirtschaftlichen Situation der Zwischenkriegszeit.
„Als Deutschland nach dem Kriege 1914-1918 den Krieg gegen die ganze Welt verloren hatte, brach auch der Staat in sich zusammen und war alles kaputt und bankrot, auch hatte man kein Geld mehr. In der Inflation gab es Geld wider genug, wie ihr sehn werdet, wenn es einmal gefunden wird.“ Unterzeichnet ist das Schreiben mit „August Sieber, Orgelbauer“.
„Der Brief ist fast spektakulärer als das Geld“, sagt Per Fridtjov Bonsaksen. „Wir in Norwegen lernen viel über den Krieg, aber nicht so viel über die Zeit der Weimarer Republik. Deswegen ist das sehr interessant.“ Was der Orgelbauer August Sieber vor mehr als 83 Jahren mit seiner Nachricht erreichen wollte, darüber kann Bonsaksen nur spekulieren. „Vielleicht war er verzweifelt“, mutmaßt er.
„Vielleicht dachte er auch, dass er das Geld eh nicht mehr benutzen kann.“ Für Per Fridtjov Bonsaksen hat sich der spektakuläre Fund in der Orgel auf jeden Fall gelohnt. In ganz Norwegen berichteten die Medien über „seine“ Orgel.
Die Restauration des Nationalinstruments erfährt nun die Aufmerksamkeit, die ihr in den Augen des Organisten zusteht. Trotzdem bleibt er nordisch gelassen: „So ein Fund ist natürlich spektakulär“, sagt er. „Viel spektakulärer ist aber die Restauration der gesamten Orgel.“