Moderne Sklaverei in Frankreich

Das Martyrium der aus Mali stammenden Rose ist kein Einzelfall. Der Justiz wird große Milde gegenüber den Tätern vorgeworfen.

Paris. Rose wächst in armen Verhältnissen in einem Dorf bei Bamako auf, der Hauptstadt Malis. Mit elf kommt es zu einer verhängnisvollen Begegnung.

Aissata S., die in der Pariser Banlieue lebt, verspricht dem Mädchen das Blaue vom Himmel: Sie aus dem Elend herauszuholen, ihr in Frankreich gar einen netten Ehemann zu besorgen. Sie müsse dafür lediglich auf ihre vier Jungs aufpassen.

Roses Mutter willigt ein, und die Tochter reist 1997 mit gefälschten Papieren ins gelobte Land ein. Doch in Frankreich wird sie einen neun Jahre währenden Alptraum erleben: Rose wird versklavt.

"Ich stand jeden Morgen um 7 Uhr auf und ging um 23 Uhr schlafen", wird sie zwölf Jahre später der Strafkammer von Bobigny berichten. "Ich habe geputzt, gebügelt, mich um die Kinder gekümmert, sie zur Schule gebracht, ich habe gekocht und das Auto gewaschen." Sie erzählt von ständiger Erniedrigung und von Drohungen, von Beleidigungen und Gewalt.

Ins Rollen gebracht wurde die "Causa Rose" durch das französische "Komitee gegen moderne Sklaverei" (CCEM) sowie durch "SOS Esclave". Organisationen, die schon etliche Skandale aufgedeckt haben. Der vorerst spektakulärste endete 2008 mit einer zehn- bzw. 15-jährigen Gefängnisstrafe für einen Ex-Fußballprofi von Paris Saint-Germain und dessen Ehefrau Linda.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die beiden ihre aus Afrika stammende Adoptivtochter, damals 13, jahrelang vergewaltigt, gefoltert, geknechtet und ebenfalls als Haushaltssklavin gehalten hatten. Erst mit 17 fand das Opfer den Mut, der Barbarei zu entfliehen und sich einer Nachbarin anzuvertrauen.

Das Schweigen der jungen Opfer und ihre grenzenlose Leidensfähigkeit, vor allem aber das krasse Elend in ihrer Heimat und die Ohnmacht begünstigen eine abscheuliche Form der Unterjochung.

"Es gibt in Frankreich Hunderte Roses und Melisas", sagt Sophia Lakhdar, die Präsidentin des Komitees zur Bekämpfung moderner Sklaverei. Zugleich beklagt sie die große Milde der französischen Justiz gegenüber den Tätern.

Das Pariser Berufungsgericht verurteilte die "Gasteltern" von Rose jetzt zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe und zur Zahlung von 93 000 Euro Schmerzensgeld.

"Ein viel zu mildes Urteil", findet der Anwalt der heute 25 Jahre alten Rose. Der Staatsanwalt hatte eine mehrjährige Haftstrafe und 300 000 Euro verlangt.