Hätten Poller schützen können? Münsters Oberbürgermeister: Amokfahrt war unvorhersehbar

Münster (dpa) - Die Amokfahrt von Münster hätte nach Einschätzung des Oberbürgermeisters der Stadt, Markus Lewe (CDU), nicht verhindert werden können. Zwar hätten die Behörden den späteren Amokfahrer Jens R. gekannt, es habe allerdings zwischen 2015 und 2016 nur „sporadische Kontakte“ gegeben, sagte Lewe.

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Erst Ende März sei der 48-Jährige dann unangemeldet wieder auf dem Amt erschienen und habe ein umfangreiches selbst verfasstes Schreiben vorgelegt. „Im Gespräch und aus dem Inhalt des Schreibens ergaben sich keinerlei Hinweise auf eine unmittelbar drohende Suizidgefahr oder Fremdgefährdung“, sagte Lewe weiter.

Eine E-Mail, die der 48-jährige Mann aus Münster Ende März an einen größeren Bekanntenkreis geschrieben und in der er seinen Zustand beschrieben haben soll, habe den Behörden nicht vorgelegen. Es habe zudem keine Hinweise von Dritten wegen einer möglichen Gefährdung gegeben, sagte Lewe.

Der Amokfahrer war am Samstagnachmittag mit seinem Kleinbus in der Münsteraner Altstadt in eine Gruppe gerast. Er tötete so zwei Menschen. Danach erschoss er sich. Von den rund 20 Verletzten waren 5 am Montag noch immer in Lebensgefahr. Münsters Oberstaatsanwaltschaft ist nach eigener Aussage sicher, dass der 48-Jährige in Suizidabsicht handelte.

Skeptisch äußerte sich Lewe zu der Idee, mehr Poller in deutschen Innenstädten aufzustellen. „Die Städte sind Orte des Zusammenlebens und des Miteinanders, und wir können sie nicht überall mit Barrieren und Pollern verbarrikadieren“, sagte er auch als Präsident des Deutschen Städtetages der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstag).

Kommunen und Sicherheitsbehörden müssten vor Ort eng zusammenarbeiten und dann gemeinsam entscheiden, wo Absperrungen sinnvoll sein könnten für einen besseren Schutz. „Aber nicht jede Straße und jeder Platz mit vielen Menschen lässt sich durch Barrieren sichern“, sagte Lewe. Auch müsse es weiterhin geeignete Zufahrtswege für Rettungsdienste und Lieferverkehr geben.

Zuvor hatte sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) laut „Bild“-Zeitung für mehr Poller zum Schutz vor Attacken mit Fahrzeugen ausgesprochen. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) plädierte dabei für Zurückhaltung.

Oberbürgermeister Lewe lobte nach dem Wochenende die Behörden der Stadt für ihre Kooperation. „Da ist etwas, was neu auf uns zukommt“, sagte er zu den Ereignissen des vergangenen Wochenendes und ihren Folgen. „Die Schalter werden umgelegt.“ Die Behörden und Kliniken, die Kirchen und auch die Kreise im Münsterland und das Land hätten nach dieser „schwarzen Stunde“ allerdings sehr gut zusammengearbeitet, sagte Lewe.

Das konkrete Motiv des 48-Jährigen ist laut Polizei und Staatsanwaltschaft weiter unklar. Bei den Untersuchungen nach der Amokfahrt spielt die Waffe, mit der sich Jens R. vermutlich umgebracht hat, nur eine untergeordnete Rolle. Nach Angaben aus Ermittlerkreisen ist die Beihilfe zur Selbsttötung straffrei.

Sollte der Verkäufer der Pistole aus dem jugoslawischen Bürgerkrieg ermittelt werden, hätte das kaum strafrechtliche Konsequenzen. Er müsste sich nur wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz verantworten. Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Reul hatte Jens R. keinen Waffenschein, somit war die Waffe nicht ordnungsgemäß erworben. Aktuell wird die Pistole von Experten des Landeskriminalamtes (LKA) untersucht.

Anders lag der Fall nach dem Amoklauf von München im Juli 2016 am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ). Der Täter hatte sich die Waffe ebenfalls illegal besorgt und neun Menschen erschossen. Das Landgericht München I hat den Waffenhändler im Januar 2018 wegen fahrlässiger Tötung in neun Fällen zu sieben Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.