Musiker im Netz: „Das Internet ist meine Bühne“
Im digitalen Zeitalter ist es leicht, seine Musik an den Hörer zu bringen. Nur die zahlenden Kunden fehlen des öfteren.
Düsseldorf. Vor zehn Jahren hätte es so einen wie David Posor nicht gegeben. Einen jungen Musiker, dessen Stücke bereits hunderttausende Mal angehört wurden, dessen Aufnahmen schon ihren Weg zu Hörern in den USA gefunden haben — und der daran bislang keinen Cent verdient hat.
Posor nimmt seine Musik in Eigenregie zu Hause auf und stellt sie auf Facebook gratis zur Verfügung. Der 23-jährige Burscheider sagt: „Das Internet ist meine Bühne.“ Er hat inzwischen rund 50 eigene Lieder mit Titeln wie „Mein Herz immer bei dir“ online gestellt. Von der Resonanz war er überwältigt: Inzwischen wurden seine MP3s mehr als eine Million mal heruntergeladen, bei Facebook hat er 1333 Freunde, und sein beliebtestes Youtube-Video „Lass mich fliegen“ wurde mehr als 200 000 mal aufgerufen.
Was bedeuten diese virtuellen Kennzahlen? David Posor bedeuten sie sehr viel. Er erklärt: „Die Klicks sind mein Applaus. Ich glaube schon, dass ein Künstler daran erkennt, wie gut er ist.“ Mit Selbstbewusstsein geht der Popsänger jetzt ins Aufnahmestudio und investiert zum ersten Mal richtig Geld in seine Leidenschaft. Bislang brauchte er zum Erfolg nur einen PC mit Soundkarte, ein Mikrofon und die Gratissoftware aus dem Netz.
„Mein nächstes Ziel ist jetzt aber Lieder aufzunehmen, die richtig gut produziert sind“, sagt Posor, der selbst singt und Klavier spielt. Doch die Musik soll auch weiterhin Hobby bleiben. Eigentlich. Wenn es dann doch mit dem Plattenvertrag eines Tages klappen sollte, will der 23-Jährige nicht Nein sagen.
Den großen Plattenfirmen dürfte es gefallen, dass junge Musiker inzwischen nicht nur ein paar Demoaufnahmen, sondern gleich auch ihre Fans aus dem Internet mitbringen. Doch Klaus Quirini, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Musikschaffender, warnt: „Es gibt Plattenfirmen, die stöbern im Internet und schauen, wer die meisten Freunde hat. Danach stürzen sie sich auf junge Künstler und versuchen sie mit möglichst geringem Risiko zu vermarkten.“ Quirini empfiehlt unerfahrenen Newcomern dringend, sich erst über die eigenen Rechte zu informieren.
Außerdem gibt er Internetmusikern den Rat, nicht nur auf die virtuelle Welt zu setzen: „Es gibt vielleicht 15 Leute weltweit, die allein über das Internet groß rausgekommen sind.“ Ansonsten gehe der Weg auch heute nicht an Bühnenauftritten vorbei.
Das Problem am digitalen Nachwuchsmusiker-Boom: Der Kuchen wird auf weniger Köpfe verteilt. Schließlich wird zwar theoretisch mehr Musik gehört, aber sicher nicht mehr gekauft. Frank Voigt, Musiker aus Hilden, hat genau diese Erfahrung gemacht: „Es gibt Künstler, die haben einen Namen — müssen aber nebenbei noch Taxifahren, um über die Runden zu kommen.“ Reichweite und Verdienst — die Schere geht immer weiter auseinander.
Voigt selbst hat aufgehört, seine neusten Songs gratis ins Netz zu stellen. Mit seiner Band „SpiritSpiderS“ hat er jetzt ein Album aufgenommen, das zurzeit noch in New York bearbeitet wird. Um die Investitionskosten von 12 000 Euro zu decken, musste der Musiker viel jobben. Herauskommen soll am Ende etwas ganz Handfestes, Nicht-Digitales: eine Vinyl-Platte.