Muslimischer Schützenkönig wurde ungewollt zum „König der Herzen“
Ein Schützenkönig aus dem westfälischen Werl hat im Sommer für Schlagzeilen gesorgt. Mithat Gedik durfte nicht König sein, weil er Muslim ist. Sein Königsschuss hat eine Werte-Diskussion im Schützenbund zur Folge.
Werl (dpa) - Die Straße habe schon lange vor dem Schützenfest so geheißen, sagt Mithat Gedik und lächelt beim Blick auf das Straßenschild „Zum Türkenplatz“ im Werler Ortsteil Sönnern. Der 34-Jährige hatte im Sommer beim Schützenfest den Vogel abgeschossen und damit für reichlich Wirbel im Bund Deutscher Historischer Schützenbruderschaften (BDHS) gesorgt. „Wenn wir vorher geahnt hätten, was wir für eine Welle lostreten, hätte ich das wohl nicht gemacht“, sagt der Schützenkönig mit muslimischen Wurzeln heute.
Denn der Verband hatte lautstark dagegen gewettert, dass die Schützenbruderschaft des 900-Einwohner-Ortes den Sohn eines aus der Türkei nach Deutschland gekommenen Bergarbeiters zu ihrem Regenten machte. Der BDHS lässt nur Christen als Mitglieder in den Bruderschaften zu. „Wir sind eine kirchliche Einrichtung“, macht BDHS-Sprecher Rolf Nieborg deutlich. Und deshalb müsse man sich auch an die Vorgaben halten. Gleiches gelte für Wiederverheiratete: Auch sie dürfen in den Bruderschaften weder Mitglied sein, noch Vorstandsposten übernehmen oder gar den Vogel abschießen.
„Ich bin hier gut integriert und als das Dorf mich gefragt hat, ob ich den König machen würde, habe ich nicht lange gezögert“, sagt Gedik. Gemeinsam mit seiner Frau hatte der Kaufmann vor acht Jahren in Sönnern gebaut und sich dann auch im Schützenverein und in der Freiwilligen Feuerwehr engagiert.
Dass er als Moslem nicht beim Bezirksschützenfest antreten dürfe, sei ihm klar gewesen. Das habe auch keiner gewollt. Aber dass der Verband, in dem insgesamt 1300 Schützenbruderschaften zusammengeschlossen sind, ihn zum Abdanken bewegen wollte, hat ihn überrascht. „Es haben aber wirklich alle hinter mir gestanden, im Verein, im Dorf und auch im Bezirk.“
Der Fall Gedik sorgte über die Grenzen der Bundesrepublik für Aufmerksamkeit und eine Welle der Solidarität. Überall werde er immer noch angesprochen: „Sie sind doch „der“ Schützenkönig“, sagt der Familienvater. In den Wochen, als das Thema Schlagzeilen machte, habe er allein auf seiner Facebook-Seite 30 000 Anfragen gehabt. „Ich habe die meisten weggeklickt. Aber schön war, dass sich einige alte Freunde gemeldet haben.“
Außerdem habe er Kontakt zu Menschen gehabt, die man sonst nur aus den Medien kenne. Eine Einladung zur Talk-Show von Günter Jauch habe er aber abgelehnt. Auch der Türkische Generalkonsul aus Essen habe ihn angerufen: „Der hat mir jegliche Unterstützung zugesagt, falls ich beispielsweise Anwälte brauche.“ Er habe wirklich nur positive Resonanz erfahren, sagt Gedik: „Ich bin der „König der Herzen“ - aber ungewollt“, lacht er.
Der Straßenname „Zum Türkenplatz“ ist historisch. Weil die Sönneraner vor Jahrhunderten im religiösen Clinch und in Grenzstreitigkeiten mit ihren Nachbarn lagen, wurden sie „Türken“ genannt. Der an der Straße liegende Fußballplatz heißt im Volksmund „Türkenplatz“ und die Schützenhalle hat den Beinamen „Türkenhalle“. Das Emblem der Kicker des Örtchens trägt in Anspielung auf die Dorfgeschichte sogar noch einen türkischer Halbmond.
Der Schützenbezirk Werl-Ense hat den Streit um den muslimischen Schützenkönig zum Anlass genommen, für Veränderungen im BDHS einzutreten. Bei der Hauptvorstandssitzung des Verbandes wurde Mitte November ein Grundsatz-Papier eingebracht. „Wir betonen darin die enge Bindung an die Kirche, wollen aber auch eine behutsame Öffnung für nicht-christliche Mitglieder ermöglichen“, sagt der Sprecher des Schützenbezirks, Rainer Busemann aus Ense. Es sei „inhaltlich sachlich“ über das Thema diskutiert worden.
Mithat Gedik hat mit seinem Königsschuss im BDHS eine bereits laufende Diskussion über den Umgang mit Nicht-Christen, Wiederverheirateten und Homosexuellen beschleunigt. „Wir werden das Thema bei unserer Bundesvertreterversammlung im März sicher besprechen“, sagt BDHS-Sprecher Nieborg. Ob es da schon eine Abstimmung geben wird, ist unklar. Aber auch nach Einschätzung von Nieborg wird sich der Verband vorsichtig öffnen, allerdings ohne Gefahr zu laufen, die Anerkennung als kirchliche Einrichtung zu verlieren. Denn neben der christlichen Wertevorstellung ist dem Verband auch die finanzielle Unterstützung der Kirche für die Jugendarbeit wichtig.