Nach Münchner Bluttat: Wie sicher sind unsere S-Bahnen?
Nahverkehr: In den neuen Zügen gibt es Notfallknöpfe und Videokameras. Kritiker fordern weiteres Sicherheitspersonal.
Düsseldorf. Immer mehr Technik, immer weniger Personal: Für die Kritiker ist die Sicherheit bei der Deutschen Bahn längst auf der Strecke geblieben. Nicht erst seit dem tödlichen Überfall von München fordern Experten den Einsatz von mehr Sicherheitskräften.
"Kameras allein können die Gewalt nicht verhindern", sagt Lothar Ebbers vom Fahrgastverband Pro Bahn NRW. Er kritisiert die mangelnde soziale Kontrolle und fordert neben mehr Personal auch bessere Konzepte zur Vermeidung von Angst-Räumen.
"Die Bahnhöfe müssen lebendiger werden." Die Bahn selbst spricht von einem Konzept auf vier Säulen: Neben dem Sicherheitspersonal sollen die Zusammenarbeit mit der Bundespolizei, Präventionsarbeit sowie technische Hilfsmittel für entspannteres Zugfahren sorgen.
"Wir haben an bundesweit 5500 Bahnhöfen rund 3000 Kameras und 600 Notrufsäulen im Einsatz", sagt Bahnsprecher Udo Kampschulte. Die Bilder würden an den größeren Bahnhöfen in den so genannten 3-S-Zentralen - für Service, Sicherheit, Sauberkeit - einlaufen.
"Bei Notrufen können sich unsere Mitarbeiter sofort ein Bild der Situation machen, mit den Betroffenen Kontakt aufnehmen und Hilfe organisieren." Die Kameras seien teils beweglich, teils auf bestimmte Bahnsteige oder Fußgängertunnel gerichtet. Die Bahnhöfe im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) sind mit den 3-S-Zentralen in Duisburg, Essen und Dortmund verbunden.
In Düsseldorf ist sogar eine flächendeckende Überwachung der S-Bahnstationen geplant. Sieben von 25 Bahnhöfen sind bereits entsprechend ausgerüstet. Drei weitere kommen Ende Oktober hinzu. Nächstes Jahr sollen drei oder vier weitere Stationen mit Kameras bestückt werden. Möglich ist das, weil die Stadt die Investitionskosten (jeweils 40.000 bis 60.000 Euro) komplett übernimmt. Die Bahn zahlt nur den Betrieb. Ähnlich funktioniert die Aufgabenteilung in Hilden: Dort gehen ebenfalls im Oktober Kameras in Betrieb.
Während die Überwachung der Bahnhöfe ein rasches Handeln ermöglicht, dienen die Videoaufnahmen in den Zügen der Abschreckung sowie zur späteren Auswertung - die Behörden können die Bänder für ihre Ermittlungen nutzen. Allerdings ist eine solche Überwachung bislang nur in den S-Bahnen der Baureihe ET 422 serienmäßig: In NRW sind davon derzeit 40 Stück im VRR im Einsatz. "Bis 2012 soll sich diese Zahl verdreifachen", sagt Bahn-Sprecher Kampschulte.
Die neuen Modelle sehen auch die Möglichkeit vor, während der Fahrt direkt Kontakt mit dem Triebwagenführer aufzunehmen. "Die dafür vorgesehenen Notfallknöpfe sind mit einer Gegensprechanlage verbunden", so Kampschulte. In älteren Zügen und S-Bahnen bleibt der Fahrgast darauf angewiesen, sich anders zu helfen. "Er kann über Handy Hilfe rufen, den Fahrer per Klopfzeichen an der Kabinentür auf sich aufmerksam machen oder eine Notbremsung einleiten."
Um den Einsatz von Sicherheitskräften hatte es in der jüngsten Vergangenheit einen heftigen Streit zwischen dem VRR und der Bahn gegeben, bei der der Verbund Züge und Leistungen bestellt. Bei einer mehrmonatigen Stichprobenuntersuchung kam der Verband zu einem schockierenden Ergebnis: Statt wie vereinbart ab 19 Uhr in 90 Prozent der Züge mit Doppelstreifen zu kontrollieren, gab es lediglich eine Quote von 17 Prozent.
"Das hat sich verbessert", versichert VRR-Sprecherin Sabine Tkatzik, "die Bahn hat nachgezogen und ist nun verstärkt mit Zweier-Teams in den Zügen unterwegs." Deren Arbeit werde durch die neuen S-Bahnzüge noch effektiver. "Es gibt keine Abteile mit Türen mehr", so Tkatzik, "sondern einen kompletten Waggon. Die Sicherheitskräfte sind also gut sichtbar."
Bei der Regiobahn Kaarst-Mettmann sind bereits sämtliche Züge mit mehreren Überwachungskameras ausgestattet. Der Fahrer kann im Notfall seine Leitstelle über Funk benachrichtigen oder die Polizei alarmieren. Die Bahnsteige werden ebenfalls per Video überwacht, die Bilder laufen in der Mettmanner Fahrdienstzentrale ein. Diese Sicherheitsvorkehrungen konnten jedoch am Wochenende einen Überfall auf einen 19-Jährigen in der Unterführung des S-Bahnhofes Millrath nicht verhindern - dort gibt es keine Kameras.
Über ihre Sicherheitsmaßnahmen im Münchner Netz gab die Deutsche Bahn nur spärlich Auskunft. Man habe "überdurchschnittlich viele Sicherheitskräfte im Einsatz", sagte eine Bahn-Sprecherin. str/mhs/RS