Nach Bluttat in München: Wegschauen oder helfen?
Opfer-Verein fordert auf, Menschen in Not nicht alleine zu lassen. Kriminalbeamte wollen mehr Personal.
Düsseldorf. Die Tötung eines 50-Jährigen in München hat eine Debatte um die Bereitschaft der Bürger zur Zivilcourage ausgelöst. Der Mann hatte in einer U-Bahn einen Streit schlichten wollen und war anschließend von zwei Beteiligten verprügelt und dabei getötet worden.
Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Klaus Jansen, betonte: "Zu sagen, das ist das Ende der Zivilcourage, hat einen unglaublichen Unterton, aber da ist etwas dran." Er rief dazu auf, über den "Zugang Jugendlicher zu Gewalt in den Medien" zu sprechen.
Der aktuelle Fall zeige, "dass wir es mit einer Entmenschlichung zu tun haben. Die Qualität der Gewalt ist eine andere geworden". Bei Schlägereien träten viele auch dann noch zu, wenn das Opfer bereits am Boden liege. Höhere Polizeipräsenz könne helfen, Kamera-Überwachung nicht.
Veit Schiemann, Pressesprecher des Opfer-Vereins "Weißer Ring", sagte, ihm sei erst ein Fall bekannt, in dem ein Mensch, der Zivilcourage bewiesen habe, getötet worden sei: "Und das ist München." Es gebe drei Hauptursachen, warum Menschen sich zurückhielten: Angst um die eigene Gesundheit, Angst um Sachgegenstände, Bequemlichkeit. "Diese Menschen sollten sich in die Rolle des Opfers versetzen und sehen, wie es ist, wenn viele zusehen und keiner hilft."
Generell gelte jedoch, dass sich niemand durch einen Einsatz in Gefahr begeben dürfe. Schon wer die 110 anrufe oder als Zeuge bereit stehe, könne weiterhelfen.
Schiemann forderte eine konsequentere Strafverfolgung. Täter, die beinahe oder schon 18 Jahre alt sind, müssten in der Regel nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden - und das zeitnah. Auch die Prävention hält er für wichtig, etwa die Betreuung jugendlicher Straftäter oder, noch davor, die Unterstützung von Familien.
Hans-Werner Bierhoff, Verhaltenspsychologe an der Uni Bochum, sagte, Wegschauen sei kein Massenphänomen: "Aber natürlich ist ein Vorfall wie in München alles andere als ermutigend. Fakt ist: Ohne Zivilcourage, etwa bei Mobbing und Diskriminierung, und ohne Erste Hilfe-Leistung kann unsere Gesellschaft nicht bestehen."