Oliver Kahn im Knast: Der Titan motiviert junge Gefangene
Der ehemalige Torhüter besucht ein Fußball-Turnier in der Justizvollzugsanstalt Siegburg.
Siegburg. Gefangene donnern gegen die verriegelten Türen ihrer Zellen. Wie eine La-Ola-Welle begleiten diese dumpfen Schläge der Eingesperrten die Torwart-Legende Oliver Kahn (40) beim Gang durch einen Trakt im Jugendknast Siegburg in der Nähe von Köln. "Olli, Olli!", grölen die jungen Männer aus ihren Zellen.
Im Hof vor dem Gefängnistrakt kicken derweil die Teilnehmer des Fußballturniers "Anstoß für ein neues Leben" gegeneinander. Heute sind sie die Glücklichen: Der Titan schaut 90 auserwählten jugendlichen Straftätern beim Turnierfinale zu und spricht mit ihnen. "So ein Tag ist wie Weihnachten für uns", sagt einer der Spieler. Es ist ein Tag, der ihnen Ablenkung vom tristen Alltag des Eingesperrtseins verspricht.
Kahn ist nicht zu Besuch gekommen, um die Jugendlichen für Vereine zu rekrutieren. Ihr sportliches Talent ist heute mal zweitrangig. Beim Fußballprojekt mit sechs nordrhein-westfälischen Gefängnissen geht es darum, die Gefangenen für ihr Leben nach der Haft zu stärken. Kahn ist da, um ihnen von seinen persönlichen Erfolgen und Niederlagen zu erzählen, um ihnen Mut zu spenden.
"Viele der Jugendlichen erleben hier erstmals Zusammenhalt. Es wäre toll, wenn sie das mit nach Hause nehmen könnten", sagt Kahn. Wer hinfällt, muss wieder aufstehen, heißt seine wichtigste Lektion. Ohne "Disziplin und Arbeitsmoral" gehe das nicht.
"Wenn Ihr Dinge zu Ende bringt, gibt es Euch eine Art von Selbstvertrauen, von Zufriedenheit. Es gibt Euch Kraft", sagt Kahn zu den Spielern. Während er spricht, rennen einige immer wieder auf ihr Idol zu und lassen sich ihre Handschuhe, Trikots und Muskelshirts signieren. Später sagt Kahn, dass ihn die Offenheit der Spieler überrascht habe.
Einer, der täglich mit den Spielern auf dem Platz steht, der Trainer der JVA Iserlohn, Olaf Fiedler, findet: "Die Jugendlichen lernen Sozialverhalten, ein vernünftiges Miteinander - wo lernt man das, wenn nicht im Sport?" Aber auch das sei Teil der Lektion: "Wenn der Schiri pfeift, muss man sich an die Regeln halten."
Wenn sie über das Spielfeld rennt, spürt die 22-jährige Lorraine für einen kurzen Augenblick ein Gefühl von Freiheit. Eineinhalb Jahre muss die Spielerin aus dem einzigen Mädchen-Team des Turniers wegen Körperverletzung einsitzen. "Nach dem Spiel ist es aber wieder wie vor dem Spiel", kontert ein Junge aus dem gegnerischen Team. Er spiele mit, weil es ihm Spaß mache: "Wer aber nicht selbst den Anstoß will, der bekommt auch keinen."
Die Stimmung auf dem Sportplatz ist ausgelassen. Essensstände und Holzbänke sind aufgebaut worden, laute Musik läuft. Fast wirkt es wie ein ganz normales Vereinsfest, wären da nicht Oliver Kahn und die jungen Männer, die ihre Hände aus den vergitterten Fenstern in den roten Backstein-Häusern rund um das Spielfeld herausstrecken.