Fernsehen: Der Held, den keiner mag
Hans-Martin Schulze gewinnt bei „Schlag den Raab“ 500 000 Euro. Dass das Publikum ihn ablehnt, stört ihn nicht.
Düsseldorf. Es ist nach Mitternacht, als sich Stefan Raab ein letztes Mal sammelt, konzentriert für den entscheidenden Augenblick. Er muss eine Ein-Euro-Münze in ein Glas schnippen. Kein einfacher Job, wenn die Spannung hoch ist.
"Heute verliere ich besonders ungern", sagt Raab. Mehrmals setzt der Entertainer neu an, dann schnippt er - und verfehlt sein Ziel. Hans-Martin Schulze (24) steht damit bei "Schlag den Raab" als Sieger fest, gewinnt 500 000 Euro. Und er wird hemmungslos ausgebuht.
Knapp vier Stunden lang hat der angehende Apotheker aus Oldenburg alles dafür getan, die halbe Million abzuräumen. "Ich will hier keine Freundschaften schließen, ich will das Geld", sagt er, nachdem er sich benommen hatte, als hieße die Show "Schlag den Schulze". Arrogant und prahlerisch - so tritt selbst der stets offensiv selbstbewusste und ehrgeizige Stefan Raab nicht auf.
Durchtrainiert und drahtig ist Schulze, der beim TuS Eversten nahe Oldenburg leidenschaftlich gern gegen den Ball tritt und sich auch sonst ganz gern im Austeilen betätigt. Er sei Mitglied bei Mensa, der Vereinigung der Hochbegabten und habe einen IQ von 143, sagt er. "Ich wollte Stefan unterbuttern, so wie er das mit den Kandidaten gerne macht", sagt er.
Üblicherweise ist der David der Held des Publikums, er ist einer von ihnen, er bietet dem Goliath Raab die Stirn. Das ist Teil der Idee: Der Kleine gegen den Großen. Zu Beginn halten die Zuschauer noch zu ihm, auch als er die ersten vier Spiele verliert.
Doch die Stimmung kippt zusehends. Schulze diskutiert mit Schiedsrichtern, fordert Videobeweise, führt Selbstgespräche, füttert sich mit Traubenzucker. Dieser Protagonist ist nicht der Mann des Volkes. Er ist ein Einzelkämpfer, bedingungslos, keiner für die Ränge, das Publikum hat ein Gespür dafür. Und verstößt den Seinen, zum ersten Mal bei Raab.
Endgültig unten durch ist Schulze, als er vor dem letzten Versuch beim Diskuswerfen siegessicher sagt: "Soll ich überhaupt noch mal werfen?" Er wirft, dann kommt Raab, angepiekst von der Großspurigkeit seines Widersachers, und übertrifft Schulze um drei Meter. Der guckt verdutzt, ist endgültig der Buhmann.
Doch das scheint ihn nur noch mehr anzuspornen. "Buh-Rufe pushen mich nur. Das nehme ich sportlich", sagt er. Und holt auf, liegt schließlich deutlich vorn. Fast uneinholbar. Doch Raab, der Ehrgeizige gibt sich nicht geschlagen. Bis zum Münzen-Schnippen, dem 15. Spiel.
Als das Publikum sein Missfallen bekundet, schreitet Raab ein. "Er hat verdient gewonnen, so viel Sportsmann muss man sein" sagt er. Und schiebt hinterher: "Aber das soll kein Grund sein, hier jetzt auszuflippen!" Schulze sagt später: "Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich ihn schon nach zwölf oder 13 Spielen besiegen würde."
Im Internet wird er noch während der Sendung zur Zielscheibe. "Hans-Martin, ab auf die stille Treppe, und schweig still", schreibt ein Twitterer. Im StudiVZ wird sogleich "Die große Anti-Hans-Martin-Gruppe" gegründet, der bis am Sonntag schon mehr als 4000 Leute angehören. Ein besonders Pfiffiger bietet T-Shirts an mit der Aufschrift: "Deine Mudder heißt Hans-Martin".
Den wird das nicht stören. Er hat sein Geld. Mehr wollte er nicht. Auch Raab dürfte seine Niederlage verschmerzt haben: In der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen schauten 2,42 Millionen Menschen zu (26,1 Prozent), insgesamt waren es 3,36 Millionen. Kandidaten wie Hans-Martin sind gut für die Quote. Auch fürs nächste Mal.