Nachhaltigkeitspreis: „Krempelt die Ärmel hoch“
Ex-Außenminister Joschka Fischer warnt vor einem Scheitern des Weltklimagipfels.
Düsseldorf. Weltpolitik kann so einfach sein - wenn man die richtigen Bilder findet. Der Forscher Ottmar Edenhofer, einer der Vorsitzenden des UN-Weltklimarats, erklärt Weltklimapolitik so: "Stellen Sie sich vor, zehn Leute sind mit einem begrenzten Wasservorrat in der Wüste. Alle sind sehr sparsam mit dem Wasser, bis auf zwei in der Gruppe.
Als die den gemeinsamen Vorrat fast allein zur Hälfte verbraucht haben, gehen sie zu den anderen und schlagen vor: Lasst uns doch diesen Rest nun gleichmäßig unter uns aufteilen." Das Publikum des Deutschen Nachhaltigkeitstages im Düsseldorfer Maritim-Hotel muss lachen über diesen Vorschlag, der für den Rest der Gruppe eine Zumutung wäre.
Mit den gierigen Trinkern sind Nordamerika und Europa gemeint, das Wasser sind ihre CO2-Emissionen, beziehungsweise die, die sie bei einer gerechten Aufteilung noch in die Luft pusten dürften.
Um den verbliebenen Rest Wasser geht es bei der Weltklimakonferenz im Dezember in Kopenhagen. Also um die Frage, wer künftig wieviel des Treibhausgases ausstoßen darf - ohne dass der Klimawandel außer Kontrolle gerät.
Und für den Klimaforscher und Ökonom Edenhofer gibt es nur eine Lösung: Die beiden gierigen Trinker - Nordamerika und Europa - sind in der Pflicht, eine Oase zu suchen. Die Oase wäre eine Welt ohne CO2-Emissionen. "Ich weiß nicht, ob sie sie finden werden. Ich hoffe nur, sie ziehen in Kopenhagen los, um sie zu suchen."
Ex-Außenminister Joschka Fischer (Grüne) - einer der Nachhaltigkeits-Preisträger - hat aufmerksam zugehört. Er gesteht unumwunden: "Ihr Vortrag hat bei mir eine depressive Stimmung ausgelöst." Denn was den Forscher und den ehemaligen Politiker eint, ist die Befürchtung, dass in Kopenhagen noch nicht der Durchbruch bei der Klimapolitik gelingt.
Dass die Industrienationen nicht bereit sein werden, selbst ausreichend CO2-Emissionen zu reduzieren und gleichzeitig Milliardenbeträge an die ärmeren Staaten zu geben, damit diese zum Beispiel die Abholzung stoppen. Denn Wälder speichern Treibhausgase.
Ein für alle teilnehmenden Staaten verbindlicher Klimavertrag, so Fischer, sei aber dringend notwendig. Sein Appell an die anwesenden Unternehmer: "Wenn es politische Blockaden gibt, zeigen Sie doch, was die Wirtschaft für den Klimaschutz leisten kann. Nicht jammern - Ärmel hochkrempeln."
Der Klimawandel ist das bestimmende Thema beim 2. Deutschen Nachhaltigkeitstag. Aber Nachhaltigkeit umfasst mehr: die Schonung der endlichen Rohstoffe weltweit, soziales Wirtschaften und die Erhaltung der Lebensgrundlagen für kommende Generationen. Über diese Themen diskutieren rund 1.000 Teilnehmer aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.
Ein Fazit, das in vielen Debatten immer wieder auftaucht: "Wir wissen so viel über die Probleme, aber wir tun nichts." Auch die Bundesregierung nutze nicht die Möglichkeiten, die sie hätte, um Nachhaltigkeit zu fördern. Ein Beispiel nennt Sylvia Schenk, Vorsitzende von Transparency International: "Warum gibt es keine Verpflichtung für Kommunen, bei öffentlichen Aufträgen Angebote zu nehmen, die besonders umweltschonend sind?"
Hanns Michael Hölz von der Deutschen Bank schlägt vor, Pensionsgelder der öffentlichen Hand nur noch in Nachhaltigkeits-Fonds anzulegen. "Das wäre ein sehr starkes Signal." In Frankreich gebe es entsprechende Vorgaben schon seit Jahren.