Nicole - Nur wenig Frieden beim Schlager
Grand-Prix-Siegerin Nicole wehrt sich gegen teure Konzertkarten und die heile Musikwelt im Radio.
<strong>Nohfelden. Erst vor ein paar Tagen hat Schlagerstar Nicole von ihrer zehnjährigen Tochter Joëlle erfahren, dass diese nicht mehr Springreiterin, sondern Sängerin werden möchte. "Prinzipiell kann ich mit diesem Berufswunsch gut leben, aber ich habe ihr gesagt, dass sie dann auch die Schattenseiten unseres Jobs akzeptieren muss."
"Beim Grand Prix geht es längst nicht mehr um das beste Lied"
Dazu zählt für Nicole, die seit 27 Jahren auf der Bühne steht, vor allem der Verlust der Privatsphäre. "Sobald ich die Haustür hinter mir zu mache, fühle ich mich zum Abschuss freigegeben. Da steht man permanent unter Anspannung", sagt die 43-Jährige. Bekannt wurde sie bereits mit 16 Jahren, als sie mit Ralph Siegels Hit "Ein bisschen Frieden" den Grand Prix gewann. "Das Image vom braven Mädchen mit der Gitarre ist untrennbar mit mir verbunden. Ich sehe das aber eher als Vorteil, vor allem wenn ich an Künstler denke, bei denen die Leute noch nicht mal ein Lied kennen." Zum Grand Prix selbst würde Nicole heute keinesfalls mehr antreten. "Wegen der osteuropäischen Länder gibt es für deutsche Künstler schon rein rechnerisch keine Chance mehr zu gewinnen. Außerdem stehen bei der Show nur noch die Kostüme und die Bühnendekoration im Vordergrund. Um das beste Lied geht es dort schon lange nicht mehr", ärgert sich die Sängerin. Auch die Radiosender machen der Saarländerin wenig Freude: Denn mit ihren Schlagern stößt Nicole dort regelmäßig auf Ablehnung. "Die verbinden mit Schlager nur eine heile Welt. Wenn da jemand kommt und über Tabuthemen singt oder sich überlegt, was passiert, wenn die Liebe zu Ende ist, wird er sofort aussortiert." Nicole sieht sich selbst als Realistin und kann mit dem glattgebügelten Musikzirkus nichts anfangen. "Ich habe zum Beispiel ein Lied über häusliche Gewalt, das kein Sender spielen wollte. Bei einem Konzert stand dann plötzlich eine Frau vor der Bühne und hat sich unter Tränen dafür bedankt. Mir war sofort klar, dass sie eines der hilflosen Opfer von gewalttätigen Ehemännern ist." Fast fünf Jahre hat die Sängerin keine Konzerte gegeben, weil sie mit der Preispolitik der Veranstalter nicht einverstanden war. "Als ich auf einem Ticket ein Autogramm gegeben habe, stand dort der Preis von 72 Euro. Das war ein Schock für mich: Das kann sich ja kaum jemand leisten." Reich wurde Nicole durch diese Preise nicht. "Wenn ich meine eigene Kalkulation betrachte und die Kartenpreise sehe, weiß ich trotz hoher Hallenmieten und Personalkosten, wie viel Geld noch in die Kassen der Agenturen fließt."Doch ab Dezember will die Schlagersängerin wieder auf Tour gehen. "Ich habe einen Konzertveranstalter gefunden, der die gleiche Meinung vertritt wie ich und dafür sorgt, dass keine Karte teurer wird als 30 Euro. So können wir zwar nicht die großen Hallen mieten, aber kleine Theater sind mir wegen der Nähe zum Publikum sowieso lieber."
Zur Person Ihren ersten Auftritt hatte Nicole Seibert bereits mit vier Jahren und zwar auf dem Arm eines französischen Offiziers beim Tag der offenen Tür in einer Kaserne. Heute ist die Sängerin verheiratet, hat zwei Töchter und wohnt in Nohfelden-Neunkirchen an der Nahe.
Zur Musik Neben ihrem Grand-Prix-Siegertitel von 1982 war der Song "Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund" der bekannteste Hit der Saarländerin, die jetzt bereits ihr viertes Album ohne Ralph Siegel produziert hat. Die aktuelle CD "Mitten ins Herz" ist ihr 30. Album.