Nobelpreis: Peter Grünberg steckt in jedem PC

Die Entdeckung des Physikers aus Jülich hat die Computer-Festplatten viel kleiner und billiger gemacht.

Stockholm/Jülich. Ein Klick mit der Computer-Maus, und der magnetische Flickenteppich auf der Festplatte verwandelt sich zurück in Briefe, Fotos oder Opern von Mozart. Keine moderne Festplatte kommt dabei ohne die Entdeckung des Physikers Peter Grünberg vom Forschungszentrum Jülich und seines französischen Kollegen Albert Fert aus. Denn erst die magnetischen Sandwiches aus ihren Laboren können die immer enger gepackten Daten auch zuverlässig lesen. Für die Entdeckung dieses Riesenmagnetowiderstands 1988 ehrt die Schwedische Akademie der Wissenschaften die beiden Forscher mit dem Physik-Nobelpreis 2007.

"Nicht zuletzt dank dieser Entdeckung hat sich die Größe von Computern dramatisch reduziert. Man sehe sich nur ein Monstrum aus dem Jahr 1964 an", erläuterte der Chef des Nobelkomitees, Per Carlson. Stuart Parkin beim Computerriesen IBM ebnete der Technik aus der Grundlagenforschung 1997 den Weg in die Praxis. Sie gilt dem Nobelkomitee als eine der ersten echten Anwendungen der Nanotechnik. Der deutsche Physik-Nobelpreisträger von 2005, Theodor Hänsch, betonte, die Forschung Grünbergs und Ferts sei ganz im Sinne Alfred Nobels, weil sie einen praktischen Nutzen für die Menschheit bringe: "Jeder trägt sie in seinem Laptop mit sich."

Informationen sind auf Festplatten von Computern, MP3-Spielern oder Digital-Videokameras in Form kleiner magnetischer "Schalter" untergebracht. Diese so genannten Bits können entweder an oder aus geschaltet sein. Angesichts der stetig steigenden Datenflut drängen sich die Bits immer enger zusammen. Um solche dicht gepackten Daten aber auch wieder zu entziffern, müssen die Festplattensensoren besonders scharf gucken können. Dank der hochempfindlichen Sandwich-Sensoren ließ sich die Speicherdichte der Festplatten bislang um mehr als das 30-fache steigern, wie IBM betont. Sie sind ein gutes Beispiel dafür, wie Grundlagenforschung zu einem Milliarden-Markt führen kann.

"Am faszinierendsten ist, dass Grünbergs und Ferts Grundlagenforschung schon nach zehn Jahren kommerziell so massiv durchgeschlagen ist. Normalerweise dauert das ja 20 bis 30 Jahre", so Joseph Nordgren vom Nobelkomitee. Im Handel erhältliche Festplatten speichern heute 500 Gigabyte. Für 100 Euro lassen sich damit etwa 500 Milliarden Buchstaben sichern. Das entspricht dem Bestand von 20 Stadtbibliotheken.

Grünberg und sein französischer Kollege Fert hatten unabhängig voneinander mit ultradünnen Schichten aus abwechselnd magnetischen und nichtmagnetischen Metallen experimentiert. Fast zeitgleich entdeckten sie 1988, dass sich der elektrische Widerstand so eines Sandwiches in Gegenwart eines Magnetfelds stark ändert - dazu reicht das schwache Feld eines magnetischen Bits auf einer Festplatte. Da sich der elektrische Widerstand einfach messen lässt, machte diese Eigenschaft die Magnet-Sandwiches zu guten Kandidaten für Festplatten-Leseköpfe.

Grünbergs Gruppe meldete sofort ein Pa/tent auf die Technik an, was dank Lizenznehmern weltweit mittlerweile einen zweistelligen Millionenbetrag in die Kasse des Forschungszentrums gespült hat. Die Leseköpfe machen etwa zehn Prozent des jährlich rund 50 Milliarden Euro schweren Festplattenmarkts aus. Als Pionier baute IBM die Riesenmagnetowiderstand-Technik 1997 erstmals in seine Festplatten ein. Heute wird das Verfahren in der gesamten Weltproduktion von Festplatten verwendet.

Doch die Technik ist nicht nur für die Computer interessant. Magnetfeldsensoren lassen sich auch in der Medizin einsetzen, etwa zur Messung von Hirnströmen oder bei endoskopischen Eingriffen. Und die Technik kann auch Anti-Blockier-Systeme im Auto überwachen. Grünberg: "Andere Anwendungen für Magnetfeldsensoren sind Kontrollfunktionen bewegter Teile, etwa in einer Waschmaschine."

Prophezeiung Grünberg ist schon während seiner Studienzeit scherzhaft vorausgesagt worden, dass er mal den Nobelpreis gewinnen würde. Als er an der TH Darmstadt einmal zu besonders früher Stunde erschien, sagte einer seiner Professoren zu ihm: "Hallo Herr Grünberg, so früh schon auf den Beinen? Das sind die künftigen Nobelpreisträger!" Grünberg: ",Wie richtig’, dachte ich."

Ruhestand Der heute 68-Jährige trat 2004 offiziell in den Ruhestand. Dennoch kommt er noch mehrmals wöchentlich mit dem Rad dorthin: "Ja, ich will nach wie vor ins Labor. Ich bin einfach neugierig. Ich kann jetzt ohne Druck und wertfrei forschen. "

Gesellschaft Das Forschungszentrum Jülich GmbH ist eine der größten Forschungseinrichtungen Europas und hat 4400 Beschäftigte. Sie arbeiten in den Disziplinen Physik, Chemie, Biologie, Medizin und Ingenieurwissenschaften. Gesellschafter: Bundesrepublik 90 Prozent, Land NRW 10 Prozent.

Angela Merkel, Bundeskanzlerin und Physikerin: "Das ist eine großartige Auszeichnung und eine Ehre für das Forschungszentrum Jülich. An der Arbeit kann man sehen, wie Grundlagenforschung zur täglichen Anwendung führt."

Annette Schavan, Bundesforschungsministerin: "Die Entscheidung ist ein Beleg dafür, dass Spitzenwissenschaftler in Deutschland sehr erfolgreich sind."

Jürgen Rüttgers, NRW-Ministerpräsident: "Wir freuen uns darüber, dass mit dem Nobelpreis für Physik auch das Ansehen des Innovationslandes Nr. 1 in Deutschland unterstrichen wird."

Per Carlson, Vorsitzender des Nobelkomitees: "Nicht zuletzt dank dieser Entdeckung hat sich die Größe von Computern dramatisch reduziert. Und der Preis für PCs ist auch dramatisch gesunken."