Heirat im Namen des Zwangs

Gesellschaft: NRW gibt den Betroffenen erstmals die Chance, anonym um Hilfe zu bitten.

Düsseldorf. Es geschieht wahrscheinlich jeden Tag, es verändert das Leben junger Menschen nachhaltig: Bis zu 10 000 Zwangsheiraten gibt es jedes Jahr in Deutschland, schätzt NRW-Familienminister Armin Laschet (CDU). Genaue Zahlen gibt es nicht. Die Dunkelziffer ist wie die Angst vor allem der jungen Frauen vor dem Gang zu den Behörden groß. Dagegen will NRW jetzt etwas unternehmen.

Als erstes Bundesland hat Nordrhein-Westfalen seit einigen Wochen im Internet eine Plattform geschaffen, auf der Betroffene um Hilfe nachsuchen können. Und das hatte durchaus Erfolg - immerhin gab es schon 46 Personen, die sich als Opfer einer Zwangsheirat zu erkennen gaben, darunter übrigens auch drei Männer.

Diese Schicksale sind hart, immer stehen die Betroffenen unter einem extremen Druck seitens ihrer Familie. Deswegen sind alle Hinweise anonymisiert. Der "Spiegel" berichtete jetzt von einer 18-Jährigen, zu der Expertinnen des Frauenhauses in Bielefeld Kontakt auch über das Internet bekommen hatten. Zwei Wochen vor der angesetzten Hochzeit wurde der jungen Frau der Ausstieg ermöglicht. Rettung in letzter Minute - das gelingt bisher leider nur selten.

Die schwarz-gelbe Landesregierung in Düsseldorf hat nun ein Zehn-Punkte-Programm gegen die Zwangsheirat beschlossen. Zwar betonte Laschet gestern, dass diese Form der gewaltsamen Vermählung gegen die Regeln des Islam verstoße. Eine erzwungene Vermählung komme auch in anderen Religionsformen vor, so Laschet. Aber die Masse der Fälle spielt doch im extremen muslimischen Milieu.

Mit dem Konzept soll das Thema aus den Nischen der Gesellschaft in die Öffentlichkeit gebracht werden. In den Schulen, in den Migrantengemeinden, per Internet und mit Broschüren wird Aufklärung betrieben. Aber die schärfste Waffe hat die schwarz-gelbe Landesregierung noch im Köcher: Im Bundesrat will sie zusammen mit Baden-Württemberg die Zwangsheirat als eigenen Straftatbestand einführen (siehe Kasten). Dafür stehen die Chancen nicht schlecht.

Stand der Dinge Als Zwangsheirat gilt eine Eheschließung, zu der mindestens ein Partner durch körperliche oder psychische Gewalt gezwungen wird. Das ist ein massiver Verstoß gegen Grund- und Menschenrechte und wird strafrechtlich verfolgt. Im Paragraf 240 des Strafgesetzbuches Abs. 4 wird die Zwangsheirat als besonders schwerer Fall von Nötigung eingestuft, der eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren nach sich ziehen kann.

NRW-Plan Die Landesregierung will einen neuen Paragrafen 234 b. Der würde Zwangsheirat benennen, mit bis zu zehn Jahren Haft belegen und weltweit verfolgbar stellen.