Obdachlose: Der kalte Tod kommt im Schlaf
In Polen sind seit November 70 Menschen erfroren.
Warschau. Wenn beim Wintereinbruch die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen, beginnt für die Obdachlosen in Polen ein harter Kampf ums Überleben.
Die meisten auf der Straße lebenden Menschen müssen in Schrebergärten, Bahnhofshallen, leerstehenden Häusern oder Parks Zuflucht suchen.
In diesem Jahr war der Winteranfang besonders hart. Allein in der ersten Dezemberwoche erfroren bei Temperaturen um minus 26 Grad 53 Menschen.
Seit November weist die Polizeistatistik bereits 68 Kältetote auf. "Wir tun, was wir können, um die Menschen zu retten", sagt Grazyna Puchalska vom Polizeipräsidium.
Kälte und Schnee treffen vor allem ältere Menschen, die seit Jahren ein Obdachlosenleben führen. Die weit verbreitete Methode, sich vor dem Einschlafen noch schnell mit Alkohol aufzuwärmen, werde ihnen zum Verhängnis. "Sie wachen nicht mehr auf", so die Polizeibeamtin.
Die Polizei besucht im Winter verstärkt die Orte, an denen sich Obdachlose aufhalten. "Wir reden auf sie ein, lieber in eine Obdachlosenunterkunft zu gehen", sagt Puchalska.
Hilfsorganisationen haben deshalb im Winter alle Hände voll zu tun. Die Vereinigung Monar betreibt in Warschau eine Unterkunft mit 300 Übernachtungsplätzen. Doch nicht jeder Besucher ist bereit, die strengen Heim-Vorschriften zu akzeptieren. Das Prinzip "Null Alkohol" erweise sich für viele als zu hohe Hürde, erläutert eine Betreuerin.
Obdachlosigkeit ist kein neues Phänomen in Polen. In den Jahren des Kommunismus verhinderte die Zensur Debatten über das Problem. Geändert hat sich nach der demokratischen Wende von 1989 nicht viel.
Wie viele Menschen in Polen auf der Straße leben, lässt sich nur grob schätzen. Das Ministerium für Arbeit und Soziales geht von rund 30 000 Obdachlosen aus. Unabhängige Forscher sprechen aber von mehreren Hunderttausend.