Pausen wichtig: Muntere Schüler erinnern sich besser
Regensburg (dpa/tmn) - Konzentrationsprobleme können schon Erstklässler plagen. Damit ihr Kind aber nicht vorschnell als Zappelphilipp abgestempelt wird, können Eltern einiges tun. Die wichtigste Maßnahme ist, dem Nachwuchs ausreichend Pausen zu gönnen.
Das Lernen müssen Kinder erst lernen. Gerade Schulanfänger können sich noch nicht lange auf ein Thema konzentrieren oder sich viele Dinge auf einmal merken. „Sie haben ein im Vergleich zu Erwachsenen noch etwas unterentwickeltes Gedächtnis“, sagt der Gedächtnisforscher Prof. Karl-Heinz Bäuml von der Universität Regensburg. „Ein gutes Gedächtnis zeichnet sich vor allem auch dadurch aus, dass Wissen über Jahre aufgebaut wird.“
Damit das schon im ersten Schuljahr beginnt, können Eltern einiges beitragen. Wichtig ist vor allem, dass der Nachwuchs regelmäßig genug schläft. „Die Gedächtnisbildung findet im Schlaf statt“, erklärt die Entwicklungspsychologin Ines Wilhelm von der Universität Tübingen. Sie hat in einer Studie herausgefunden, dass das Gehirn von Kindern während der Nachtruhe noch effektiver als das Gehirn von Erwachsenen unbewusst Gelerntes in aktives Wissen umwandelt.
„Das Gehirn übt im Schlaf sozusagen weiter“, erläutert sie. Die Neuronen wiederholten neu aufgenommenes Wissen und „feuerten“ genauso wie beim Lernen im Wachzustand. „Dadurch werden die Informationen stärker im Gedächtnis verankert.“ Das so stabilisierte Wissen sei weniger anfällig dafür, von später hinzukommenden Inhalten überschrieben zu werden. Da Grundschüler in kurzer Zeit viele neue Informationen erhalten, bräuchten sie genug Pausen zum Verarbeiten.
Die nötige Schlafmenge ist Wilhelm zufolge bei Kindern variabel. Im Mittel bräuchten Sechs- bis Neunjährige neun bis zwölf Stunden Schlaf pro Nacht. „Ob das die Menge ist, die optimal für die Gedächtnisbildung ist, ist aber nicht untersucht.“ Klar sei jedoch: Hat ein Kind zu wenig Pausen, werden die zuvor gelernten, noch nicht ausreichend verankerten Informationen überschrieben. Die Forscherin rät daher, dass der Nachwuchs so lange wie möglich Mittagsschlaf hält. „Auch wenn das ein bisschen old fashioned wirkt.“
Es sei aber nicht dramatisch, wenn ein Kind mal etwas weniger schläft als normalerweise - Hauptsache, es schläft sonst regelmäßig. Das heißt, ein Schulkind sollte möglichst immer zur gleichen Zeit ins Bett gehen und zu gleichen Zeit geweckt werden. „Ein unregelmäßiger Rhythmus führt zu Schlafstörungen“, warnt Wilhelm. Auch Fernsehen oder Computerspielen vor dem Zubettgehen sei nicht förderlich.
Halten sich Eltern nicht daran, kann das spürbare Folgen haben: Grundschüler, die zu spät ins Bett gehen, seien oft hibbelig und hätten Konzentrationsprobleme, sagt der Schulpsychologe Klaus Seifried vom Berufsverband der Deutschen Psychologinnen und Psychologen. Sie würden dann schnell mit der Diagnose ADHS (Zappelphilipp-Syndrom) abgestempelt. Wer ohne Frühstück zur Schule komme, sei auch unaufmerksamer, weil er unterzuckert sei. Grundsätzlich ist es Seifried zufolge aber so, dass Sechsjährige sich ohnehin nur 10 bis 15 Minuten konzentrieren könnten. „Danach muss ein Methodenwechsel oder eine Pause im Unterricht erfolgen.“
Das heißt aber nicht, dass das behandelte Thema nie wieder dran kommen soll - im Gegenteil. Um das Wissen zu verankern, sollte das Thema erneut abgerufen werden. „Wird der frisch durchgenommene Stoff immer wieder abgefragt, fördert das das langfristige Erinnern“, erklärt Gedächtnisforscher Bäuml. „Das eigenständige, aktive Erinnern ist immer besser als Lerninhalte noch mal passiv zu lesen.“
Väter und Mütter können diese Wissenserweiterung anregen, indem sie ihr Kind kontinuierlich gezielt fragen, was zuletzt im Unterricht durchgenommen wurde. Außerdem sollten sie ihren Nachwuchs dazu anhalten, wo immer es geht, Querverbindungen zu sehen. „Vernetztes Wissen kreieren“, nennt Bäuml das. Auch das trage zur Gedächtnisbildung bei. Im Laufe der Grundschuljahre profitierten Schüler davon und könnten sich Lernstoff zunehmend besser merken.
Wichtig ist, dass Eltern nicht zu viel verlangen und das Lerntempo ihres Kindes akzeptieren, betont Schulpsychologe Seifried. „Man muss Kindern verschiedene Entwicklungszeiten geben.“ So sei es durchaus möglich, dass manche den Lernstoff der ersten und zweiten Klasse in einem Jahr bewältigen, während andere drei Jahre dafür bräuchten. Schulstress lasse sich auch vermeiden, wenn Mütter und Väter ihren Erstklässlern nicht schon vor Schulbeginn Lesen, Schreiben und Rechnen beibringen. Kinder sollten lieber andere Angebote bekommen: ein Instrument zu spielen etwa oder eine Sportart.
Ob Lernspiele sinnvoll sind, ist umstritten. Bäuml ist der Ansicht, dass Eltern sich und ihrem Nachwuchs das ersparen können, weil sich damit kein Transfereffekt bezogen auf Gedächtnisleistungen erzielen lässt. Wilhelm hält dagegen: „Das Gedächtnis ist wie eine Art Muskel, den man trainieren kann.“ Neue Informationen könne es dann besser aufnehmen. Hat ein Kind Spaß an den Spielen, sei das in Ordnung. Eltern sollten aber nicht darauf beharren - und vor allem deswegen nicht die Zeit für Ruhephasen reduzieren.