Pferdefleisch-Skandal erreicht Deutschland
Berlin/Brüssel (dpa) - Im Pferdefleisch-Skandal sind nun auch in Deutschland Produkte mit falsch deklariertem Fleisch aufgetaucht. Die Supermarktkette Real rief am Mittwoch eine Tiefkühl-Lasagne zurück, nachdem in einzelnen Stichproben Anteile von Pferdefleisch gefunden worden waren.
„Diese Maßnahme erfolgt rein vorsorglich, da zu keinem Zeitpunkt ein Hinweis auf ein gesundheitliches Risiko für Verbraucher bestand“, hieß es. Bereits am vergangenen Freitag hatte die Metro-Tochter Real als reine Vorsichtsmaßnahme nach einem Hinweis des Herstellers das Produkt aus dem Verkauf genommen.
Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa stehen noch fünf weitere Unternehmen mit meist bundesweitem Filialnetz auf der Prüfliste der Lebensmittelbehörden. Sie haben von Zwischenhändlern demnach Fertigprodukte mit möglicherweise falschen Etiketten bezogen.
In den vergangenen Wochen waren in mehreren Ländern der EU Fertiggerichte entdeckt worden, in denen statt des angegebenen Rindfleischs auch oder ausschließlich Pferdefleisch verarbeitet worden war. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) nannte als Rindfleisch deklariertes Pferdefleisch einen „krassen und schlimmen Fall von Verbrauchertäuschung“. Sie versuchte aber auch die Verbraucher zu beruhigen: „Nach jetzigen Erkenntnissen ist Pferdefleisch nicht gefährlich.“ Auch in Deutschland gebe es ganz regulär Pferdefleisch zu kaufen. „Das muss ganz klar deklariert sein, dass es Pferde sind, die zur Schlachtung zugelassen sind.“
Derweil schlägt die EU-Kommission DNA-Tests für verarbeitetes Rindfleisch in Europa vor. Damit sollen die Behörden herausfinden, ob es sich nicht um falsch deklariertes Pferdefleisch handelt. Das teilte EU-Verbraucherkommissar Tonio Borg am Mittwoch nach einem Krisentreffen von acht beteiligten Staaten in Brüssel mit. Über den Vorschlag sollen Experten aus allen 27 EU-Staaten am Freitag entscheiden. Die ersten 2500 Gentests könnten den Plänen zufolge im März stattfinden, etwa 200 davon in Deutschland. Ergebnisse sollen Borg zufolge Mitte April veröffentlicht werden.
Um sicherzustellen, dass Verbraucher mit dem Fleisch keine Pferdemedikamente zu sich nehmen, will die EU-Kommission eine weitere Testreihe vorschlagen. Dabei sollen die Behörden Pferdefleisch auf mögliche Rückstände des Medikaments Phenylbutazon untersuchen. Das Mittel wird bei Pferden gegen Entzündungen eingesetzt. Es gilt auch als Doping-Mittel im Pferdesport. 1500 in die EU eingeführte Pferdekadaver sollten untersucht werden, zudem 2500 in Europa geschlachtete Tiere.
In Deutschland standen am Mittwoch insgesamt sechs Unternehmen auf der Kontroll-Liste der Behörden. Kaiser's Tengelmann bestätigte auf dpa-Anfrage, dass sie in allen rund 500 Filialen in den Regionen Berlin, Nordrhein und Oberbayern ihre A&P-Tiefkühl-Lasagne vorsorglich aus dem Verkauf genommen hat. Auch die Genossenschaft Rewe Dortmund, die nach eigenen Angaben regional etwa 540 Märkte beliefert, bestätigte Untersuchungen in ihrem Großhandel. Rewe Dortmund habe vorsorglich eine verdächtige Lasagne aus dem Verkauf genommen, sagte eine Sprecherin.
Das Tiefkühl-Unternehmen Eismann bestätigte dem Westdeutschen Rundfunk, dass Lebensmittelkontrolleure im Haus seien, um Proben zu nehmen. Die Tiefkühl-Firma habe vergangene Woche zwei ihrer Lasagne-Produkte aus dem Sortiment genommen, sagte ein Sprecher. Der größte deutsche Lebensmittelhändler Edeka lässt alle relevanten Eigenmarktprodukte prüfen. Nicht alle Unternehmen auf der Liste waren für Stellungnahmen erreichbar.
Die Metro-Tochter Real bekräftigte, das Thema sehr ernst zu nehmen. Das Unternehmen bedauere den Vorfall. Kunden, die das Produkt „TiP Lasagne Bolognese, 400g, tiefgekühlt“ gekauft haben, könnten die Lasagne in jeder Filiale zurückgeben. Der Kaufpreis werde erstattet.
Die Europäer verspeisen nach Angaben der EU-Kommission wissentlich jährlich 110 000 Tonnen Pferd, 70 000 Tonnen davon aus heimischer Zucht. Innerhalb Europas komme das meiste für den menschlichen Konsum gedachte Pferdefleisch aus Italien, Polen und Rumänien.