Polens vergessene Hunde
Das Land gilt zwar als tierfreundlich, dennoch sind dort Zwei- und Vierbeiner häufig nicht viel wert. Besonders übel geht es in Tierheimen zu.
Warschau. Wenn der kleine „Sznupok“ (Sucher) aufgehört hätte zu bellen — er würde noch leben. Aber er hat „immer weiter gekläfft“, wie der 23-jährige Lukasz M. aus Gogolin später berichtete.
Also schnappte sich Lukasz eine Metallstange und prügelte so lange auf den Hund seiner Nachbarin ein, bis das Tier still war. Mit zertrümmertem Schädel lag „Sznupok“ da, als die Polizei eintraf und Lukasz M. festnahm.
Der Tod des kleinen Hundes erregt derzeit die polnische Öffentlichkeit — fünf Monate nach der Tat. Der Grund für den verspäteten Aufruhr: Ein Gericht in Oppeln lehnte die von Staatsanwalt und Verteidiger gemeinsam geforderte viermonatige Gefängnisstrafe für M. ab.
Eine besondere Grausamkeit sei nicht zu erkennen, urteilte die Kammer. Selbst der Angeklagte fiel aus allen Wolken, hatte er sich doch zu seiner Schuld bekannt. Der junge Mann kann nun auf dem Weg durch die Instanzen auf einen Freispruch hoffen.
„Das ist ein Skandal, aber kein Einzelfall in unserem Land“, empört sich Piotr Jaworski vom polnischen Tierschutzbund im Gespräch mit unserer Zeitung. „Es sind Einzelne, aber sie prügeln auf Haustiere ein, sperren sie in Kellerlöcher oder werfen sie aus dem Fenster. Solches Verhalten gibt es immer wieder bei uns.“
Dabei gilt Polen als Land der Tierliebhaber. Ob Störche, Pferde oder Kaninchen — Tiere sind aus dem Alltag der Menschen nicht wegzudenken. „Aber die Erkenntnis, dass Tiere besondere Achtung verdienen, setzt sich nur langsam durch“, sagt Jaworski.
Tatsächlich sorgen in Polen immer wieder Fälle von Tierquälerei für Schlagzeilen. Die Zeitung „Rzeczpospolita“ berichtete, dass viele Polen Tiere in Paketen per Post verschicken. Außer Welpen wurden Schildkröten, Wellensittiche und Spinnen gefunden.
Selbst in Tierheimen sind Hunde und Katzen nicht sicher. Bei Stichproben fanden Tierschützer heraus, dass in einzelnen der teils staatlichen, teils privaten Einrichtungen bis zu drei Viertel der aufgefundenen Hunde nicht überleben — Todesursache nicht ermittelbar. In einem Fall seien Hunde geschlachtet und zu Schmalz verarbeitet worden.
Deutsche Tierschützer warnen zudem vor dem Tierhandel im polnischen Grenzgebiet. Auf Märkten würden dort insbesondere Hundewelpen zu Billigpreisen zum Verkauf angeboten. „Die Tiere sind meist todkrank, die Papiere häufig gefälscht“, warnt der Deutsche Tierschutzbund. „Dieser Basarhandel ist ein Riesenproblem.“