Prozess: Astor-Patriarchin musste arm leben
Sohn soll Demenz der über Hundertjährigen ausgenutzt haben.
New York. Unter reger Anteilnahme der Öffentlichkeit hat am Montag in New York der Prozess gegen den Erben des Astor-Vermögens, Anthony Marshall, begonnen. Der 84-Jährige soll die Alzheimer-Erkrankung seiner betagten Mutter Brooke Astor ausgenutzt haben, um sich an ihr zu bereichern. Ebenfalls angeklagt ist sein früherer Anwalt Francis Morrissey, der Astors Testament gefälscht haben soll.
Auf einen Stock gestützt erschien der Angeklagte im Gerichtssaal. Bevor sich Marshall auf dem Anklagesessel niederließ, nahm er erst noch eine Tablette ein. Brooke Astor - eingeheiratetes Familienmitglied der Besitzer des Hotels Waldorf Astoria - wollte eigentlich das Vermögen stiften, das sie von ihrem Mann Vincent Astor geerbt hatte. Bis zu ihrem Tod im Alter von 105Jahren 2007 gab die Mäzenin geschätzte 200Millionen Dollar (148 Millionen Euro) für wohltätige Zwecke aus. In den Genuss ihrer Spenden kamen unter anderem die New York Public Library, das Metropolitain Museum of Art und der Botanische Garten in New York.
In der Anklageschrift heißt es, Marshall und Morrissey hätten Astors zunehmende Demenz ausgenutzt, um sich zu bereichern. Der Sohn des Angeklagten, Philip Marshall, wirft seinem Vater vor, die für ihre Eleganz und ihren Humor berühmte Grande Dame der New Yorker Society zu einem ärmlichen Leben gezwungen zu haben, während er gleichzeitig ihr Geld stahl. So soll die Frau in ihrer Wohnung auf der Park Avenue gezwungen gewesen sein, auf einem zerschlissenen Sofa zu schlafen. 2006 setzte Philip Marshall durch, dass seinem Vater, einem ehemaligen Marineoffizier und Botschafter, das Sorgerecht für Astor entzogen wurde. Der Universitätsprofessor wird voraussichtlich während des Prozesses gegen seinen Vater aussagen.
Als weitere Zeugen sind neben Astors Ärzten und Hausangestellten der Bankier David Rockefeller sowie der frühere US-Außenminister Henry Kissinger im Gespräch. Marshalls früherer Anwalt Morrissey ist für die Justiz kein Unbekannter. In den 1990er Jahren verlor der heute 66-Jährige wegen Betrugs an mehreren älteren und betuchten Mandanten für einige Jahre seine Zulassung. Bei seinem Rehabilitierungsverfahren entschuldigte er sich, er wolle künftig seine "inneren Dämonen in Schach halten".
Das Verfahren begann zunächst mit der Auswahl der Geschworenen, was bis zu drei Wochen dauern kann. Insgesamt wurde die Prozessdauer auf zwei bis drei Monate festgesetzt. Beide Angeklagten beteuerten bisher stets ihre Unschuld. Sollten sie schuldig gesprochen werden, drohen ihnen Haftstrafen von bis zu 25 Jahren. Wegen Betrugs müssen sich derzeit in New York auch der ehemalige Wall-Street-Guru Bernard Madoff und der renommierte Galerist und Kunsthändler Lawrence Salander gerichtlich verantworten. Salander soll seinen Kunden unter anderem Kunstwerke für insgesamt 88Millionen Dollar verkauft haben, die er nie besaß.