Quelle: Fassungslosigkeit und Wut
Das Aus für den Versandhändler reißt vielen Menschen die Existenzgrundlage unter den Füßen weg.
Wuppertal/ Düsseldorf. Die Normalität soll bleiben. Bis zum Schluss. Deshalb tönt Gute-Laune-Musik aus den Boxen des Quelle-Technik-Centers an der Neumarktstraße in Wuppertal. Kunden schlendern zwischen den Regalen. Nur an den auffällig ruhigen Verkäufern ist zu erkennen, dass jetzt alles anders ist. Und an den Plakaten im Schaufenster und vor dem Eingang.
"Ihre Quelle-Mitarbeiter suchen dringend einen neuen Job" ist darauf zu lesen. Das Aus für den Quelle-Versand, über das seit dem Morgen jeder spricht - für die sieben Wuppertaler Mitarbeiter bedeutet es den Verlust ihres Arbeitsplatzes, der ihnen jahrelang den Lebensunterhalt sicherte.
Auch die Kunden nehmen Anteil. "Ach, das tut mir ja so leid. Ich habe so gern bei Ihnen gekauft. Ich drücke Ihnen die Daumen, dass Sie schnell was Neues finden", sagt Monika Amankwa-Jansen und schüttelt dem Team mitfühlend die Hände. Nicole Seibert schluckt. "Solche Dinge machen das Ganze noch trauriger. Wir sind nicht nur sieben von tausenden Mitarbeitern, die arbeitslos werden.
Wir waren viele Jahre lang täglich zusammen, wie eine Familie", sagt die 34-Jährige. Seit fast sieben Jahren ist Seibert im Wuppertaler Quelle- Technik-Center beschäftigt, kümmerte sich um die Kundenwünsche. Ende Dezember ist das vorbei. "Schon jetzt sitze ich nach Feierabend an den Bewerbungen. Aber bei der Marktsituation ist es ja gar nicht einfach, eine Stelle zu bekommen", sagt die gelernte Einzelhandelskauffrau.
Überraschend sei das Quelle-Aus für Seibert nicht gekommen. "Das haben wir geahnt. In der vergangenen Zeit gab es immer mehr Kündigungen bei Quelle, vor ein paar Wochen waren wir an der Reihe.
Irgendwann wusste ich, bald ist es mit dem Unternehmen ganz vorbei." Was bleibt, ist Wut: "Wir Angestellten müssen darunter leiden, dass jemand von ganz oben den Karren in den Sand setzt und werden noch nicht mal informiert, müssen in der Zeitung davon lesen", so Seibert sauer.
Mehr als eine zwei Seiten lange Pressemitteilung hat Heike Loipold-Zingsem nicht in der Hand. "Wir haben keine Ahnung, wie es jetzt mit uns weitergeht", sagt die Geschäftsführerin der Quelle-Filiale an der Düsseldorfer Schadowstraße. Wie üblich geht es in dem Laden am Dienstag freilich nicht zu: Fast jeder Kunde spricht die Mitarbeiter auf die Pleite an.
"Was wird jetzt aus meiner Garantie?", will eine Kundin wissen. "Arbeitet der Kundendienst weiter wie gewohnt, was wird aus meiner Anzahlung?" eine andere. Mehr als mit den Achseln zu zucken, bleibt den Mitarbeitern freilich nicht. (siehe zu dem Thema unsere Seite "Wirtschaft").
"Es ist eine Unverschämtheit, wie mit den Angestellten umgegangen wird", findet die langjährige Kundin Margarethe Marschallig. Wütend und enttäuscht ist auch Gabriele Prummenbaum, die im Düsseldorfer Stadtteil Flingern ein Bestellcenter, einen Quelle-Shop, führt.
"Ich bin seit 25 Jahren dabei und musste aus dem Radio erfahren, dass es Quelle bald nicht mehr geben wird." Zwar habe sie geahnt, dass es mit dem Unternehmen kein gutes Ende nehmen wird, dennoch weiß sie nicht, wie es mit ihr weitergeht. "Ich bin jetzt vogelfrei."
"Das trifft uns hart", sagt auch Rolf Meiners (63), dessen Frau Elise (60) die Quelle-Bestellannahme im Mönchengladbacher Stadtteil Dahl führt. Vor zehn Jahre hatte man den "Quelle-Shop" aufgemacht. Dann, vor zwei Jahren, wurden die Meiners gebeten, aus dem Shop die Bestellannahme zu machen.
"Gott sei dank", sagt der 63-Jährige, "verkaufen wir noch Zeitungen, Zeitschriften, Tabakwaren und führen eine Lottoannahme." Sonst wäre die private Kassenlage mehr als klamm. Man habe sich schon frühzeitig mehrere Standbeine zugelegt.
Birgit Scherl, Geschäftsführerin vom Quelle-Shop in Velbert-Neviges, klagt: "Wir sind alle deprimiert. Die Kunden sind verunsichert, weil sie nicht wissen, ob ihre Bestellungen noch bearbeitet werden. Ich weiß es auch nicht. Ich habe gerade für einen Kunden ein Spiel bestellt. Die Lieferzeit wird vier bis fünf Wochen dauern, da kann ich jetzt nicht sagen, ob das überhaupt klappt."
Dass im Solinger Technik-Center die Lichter ausgehen, wussten die Mitarbeiter seit Wochen. Seitdem läuft der Ausverkauf. Dass Quelle bald ganz verschwindet, war manch einem Kunden am Dienstag aber noch neu. "Es gibt keine Quelle mehr", wurden sie kurz und bündig beschieden. Quelle war ein halbes Jahrhundert lang in Solingen vertreten. "Viele Kunden, gerade die Älteren, haben mir gesagt, wie sehr sie die Schließung bedauern", sagt Niederlassungsleiter Armin Koch.