Rätsel um grausiges Treibgut
Schon sechs abgetrennte Füße wurden an der Küste rund um Vancouver angeschwemmt. Die Polizei ist ratlos.
Vancouver. Es ist eine grausige Serie, die seit Monaten die Menschen an Kanadas malerischer Pazifikküste in Atem hält: Am Mittwoch (Ortszeit) fand eine Spaziergängerin am Strand nahe dem Fischerort Campbell River auf Vancouver Island einen abgetrennten menschlichen Fuß.
Es ist der sechste, der innerhalb von wenigen Monaten an der Küste im Raum Vancouver gefunden wurde. Eine Mordserie auf See? Ein Boots- oder Flugzeugunglück? Die Spekulationen treiben wilde Blüten, die Polizei steht vor einem Rätsel.
Der am Strand von Campbell River angespülte rechte Fuß habe in einem schwarzen Männer-Sportschuh für Männer gesteckt, berichtete Sandra Malone, die in der Nähe der Fundstelle einen Zeltplatz leitet. Nach Polizeiangaben hatte der Schuh die Größe 43/44. "Die beiden Knochen ragten noch heraus", so Malone.
Damit wurden seit August insgesamt fünf rechte und ein linker Fuß an die bei Naturtouristen und Walbeobachtern beliebte Küste der Provinz British Columbia gespült. Ein Fuß war am Montag an einer Flussmündung bei Vancouver entdeckt worden.
Ende Mai wurde ein Fuß auf der unbewohnten Insel Kirkland entdeckt, im Februar fand sich ein Fuß auf der abgelegenen Valdes-Insel. Die ersten Funde waren im vergangenen August im Abstand von einer Woche auf zwei Inseln gegenüber von Vancouver gemacht worden. Das Rätsel sorgt seither weltweit für Schlagzeilen.
Für einige Fachleute ist am wahrscheinlichsten, dass es sich um die Füße von Opfern eines Flugzeug- oder Bootsunglücks handelt. Die am Meeresboden eingeklemmten Leichen seien möglicherweise nach einem Erdbeben nach oben gespült worden, vermutet der Kriminologe Gail Anderson von der kanadischen Simon Fraser University - und dann von Aasfressern im Meer zerteilt worden.
Anderen Wissenschaftlern zufolge könnten die Füße sogar schon mehrere Jahre alt und tausende Kilometer weit gespült worden sein - da sie unter gewissen Umständen im kalten Wasser gut konserviert blieben. Örtliche Medien mutmaßten, die Füße gehörten zu vier Männern, die seit dem Absturz ihres Wasserflugzeugs im Februar 2005 in der Nähe des Campbell River vermisst werden. Die Polizei will sich bislang nicht festlegen, ob die Funde im Zusammenhang mit einem Verbrechen, einem Unfall oder einer Katastrophe stehen.
"Wir ziehen alle Möglichkeiten in Betracht - auch, dass alle Funde zusammenhängen", sagte Polizeisprecherin Annie Linteau. Es gebe aber keine Hinweise darauf, dass die Füße abgeschnitten worden seien. Der Chef-Untersuchungsrichter von British Columbia, Terry Smith, warnte vor wilden Spekulationen. Die Funde "regen die Vorstellungskraft von allen an, aber wir müssen daran erinnern, dass es sich um Überreste eines Menschen handelt, der geliebt wurde".
Er persönlich habe Vorbehalte, die Funde als Kriminalfall zu betrachten. Die DNA-Tests seien aber noch nicht abgeschlossen. Die Untersuchung solle auch Hinweise auf Alter, Geschlecht und Gewicht der betroffenen Menschen geben. Bei den zuvor gefundenen Füßen hatten sich bisher keine Übereinstimmungen mit vermissten Personen ergeben.