Randalierer-Abwehr: Pfeifton vertreibt Jugendliche
Heiligenhaus verjagt Jugendliche im Kampf gegen Schmierereien und Zerstörung mit akustischem Gerät.
Heiligenhaus. Die Schmierereien haben aufgehört. Zerbrochene Bierflaschen verunzieren den Platz vor dem Eingang zum Immanuel-Kant-Gymnasium auch nicht mehr. Die Abwehr wirkt. Die kleine Stadt Heiligenhaus hat sich auf gefährliches Terrain gewagt, um Zerstörungswut Einhalt zu gebieten. Sie bedient sich dafür eines so genannten Mosquitos.
Mosquito sendet einen ultrahohen Pfeifton aus, den Menschen nur hören können, wenn sie noch keine 25 Jahre alt sind oder ein wirklich sehr gutes Gehör haben. Die Rechnung der Stadt ist aufgegangen. Die Randalierer sind verschwunden. Der fast 30 000 Euro teure Schaden, den sie angerichtet haben sollen, ist beseitigt. Frieden am Immanuel-Kant-Gymnasium.
Kein Frieden in Heiligenhaus. Dort streiten die Parteien darum, ob es richtig ist, junge Menschen wie Schmeißfliegen zu verscheuchen. "Wir haben diese Entscheidung nicht innerhalb von einer Stunde gefällt", sagt Heiligenhausens Bürgermeister Jan Heinisch. Mit seinen 32 Jahren gehört er fast noch zu jenen, die unter Mosquito leiden könnten.
Heinisch (CDU) leidet aber nicht, zumal der Pfeifton nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nur lästig, nicht aber schädlich ist. Dafür stöhnen die Liberalen in der Kleinstadt wie unter Schmerzen. Sie fordern den Abbau der kaum 2000 Euro teuren Anlage.
Probleme mit Jugendlichen gebe es in jeder Kommune. Dagegen seien die "konsequente präventive Präsenz von Mitarbeitern der Stadtwacht oder der Einsatz von Sozialarbeitern effektiver", sagt der FDP-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Reinhard Schulze-Neuenhoff.
Und was sagen die Jugendlichen? Lisa Marie, Manuel, Taylan, Nicklaas, Pascal, Dennis und Marcel sind zwischen 16 und 21 Jahren alt und treffen sich eigentlich schon immer auf dem großen Schulhof an den Bänken nahe dem Haupteingang.
Sie, so sagen sie, hätten mit den Zerstörungen und Schmierereien nichts zu tun gehabt. Auch nicht mit den zerschmetterten Bierflaschen. Das fiese hohe Pfeifen hören sie alle. Aber nur dann, wenn sie dem Eingang wirklich nahe kommen. Also bleiben sie auf den Bänken auf dem Schulhof sitzen.
Ihren Frieden mit Mosquito haben sie nicht gemacht. "Das nervt voll", sagt Lisa Marie. Und Taylan findet noch ganz andere Ausdrücke für das, was er fühlt. Dabei sei das schlimmste gar nicht das unangenehme Geräusch. Vielmehr ist es die Tatsache, dass die Stadt ihre Jugendlichen einfach verjagt. "Hier gibt es nix, wo wir hingehen können", klagt Dennis.
Also bleibt nur der in einem kleinen Park gelegene Hof des Immanuel-Kant-Gymnasiums. Dessen Schulleiter, Bernd Clevinghaus, war Motor der Mosquito-Installation. In einem Brief an den Bürgermeister hatte er Drogen- und Alkoholmissbrauch auf dem Schulhof beklagt, wenn kein Schulbetrieb war. Und dann die Aggression. Die sei sogar soweit gegangen, dass eine Kamera an der Aula mit Hilfe einer Schusswaffe zerstört worden sei.
Nun hat die Schule den abends aktivierten Mosquito und Clevinghaus einen schlechten Ruf. Doch angesichts weiterer Zerstörungsexzesse, Farbschmierereien und Spritzen in Vorgärten um das Schulgebäude möchte er, dass "die Zahl der Mosquitos erhöht wird". Damit stößt er bei Heinisch auf taube Ohren. "Mehr wollen wir nicht", sagt der Bürgermeister. Allerdings hätten ihn schon viele Privatleute gefragt, wo es die Geräte zu kaufen gebe.