Regisseur Tuan Le verbindet Berlin und Vietnam

Hanoi (dpa) - Begleitet von exotischen Flöten- und Trommelklängen wirbeln Tänzer über die Bühne. Das Licht ist düster und erinnert an Herdfeuer und warme tropische Nächte. Mit Hilfe meterhoher Bambusstangen zeichnen die Akteure immer neue Bilder.

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Plötzlich schwebt eine Artistin durch die Luft.

In seinen Produktionen vereint der vietnamesische Regisseur Tuan Le Ballett und Zirkuskunst. Er nimmt Anleihen aus der traditionellen Kultur Vietnams - und seiner langjährigen Wahlheimat Berlin.

Dort verbrachte Le, der mittlerweile wieder in Vietnam arbeitet, prägende Jahre. Geboren 1977, zwei Jahre nach Ende des Vietnamkrieges, wurde ihm Kunst quasi in die Wiege gelegt - sein Vater ist Jazzmusiker und seine Mutter Theaterregisseurin. „Ich würde nicht sagen, es liegt mir im Blut, aber es ist in der Familie“, sagt er.

Schon im Alter von sieben Jahren jonglierte Le im Zirkus. Mit 13 sollte er gemeinsam mit seinem Bruder in Moskau in einer Zirkusschule trainieren. Doch es war das Jahr 1991, und als er dort ankam, zerfiel um ihn herum die Sowjetunion. Die Familie beschloss, nach Ost-Berlin zu ziehen.

Trotz der kulturellen Unterschiede habe er sich rasch in Deutschland wohl gefühlt, sagt Le. Nach nur sechs Monaten Deutschkurs konnte er dem Unterricht folgen. Es folgte eine Ausbildung an der Staatlichen Ballettschule und Schule für Artistik Berlins. 1999 präsentierte er sein erstes Programm „Klangkörper“ im Berliner Chamäleon Theater. Es erzählt von den ersten Eindrücken aus der neuen Heimat. „Es ist die Geschichte von jemandem wie mir, der aus Vietnam kommt und verschiedene Dinge sieht - Jazzmusiker oder verrückte Betrunkene“, erklärt Le.

Obwohl er in seiner neuen Heimat angekommen war, habe er oft an seine Kindheit gedacht. Im Urlaub in Vietnam entdeckte er das Landleben für sich - als Stadtkind kannte er das bislang nicht. „Allein die Natur hat mich sehr inspiriert - die Ruhe, der Wind und alles andere. Ich habe mich mit den Menschen unterhalten, und für mich war das alles sehr berührend.“

Le hat seitdem drei Ballettproduktionen inszeniert - die bekannteste „Lang Toi“ (dt.: Unser Dorf) hatte 2009 in Hanoi Premiere. Darin arbeitet Le mit einer Mischung aus Tanz und Akrobatik, um sein Bild vom ländlichen Vietnam auf die Bühne zu bringen. Das Bühnenbild besteht hauptsächlich aus in den Himmel ragenden Bambusstangen, mit denen das Ensemble immer neue Strukturen baut und akrobatische Kunststücke vollführt. Untermalt wird die Performance von traditioneller Musik, die in Vietnam nur noch selten gespielt wird.

Für den zeitgenössischen vietnamesischen Komponisten Ngoc Dai symbolisiert diese Kulturfusion - und die künstlerischen Risiken, die Tuan Le mit seinen Produktionen eingeht - einen Durchbruch für die Kunstszene seines Landes. „Die Leute hier haben schon lange eine Erneuerung in Kunst und Darstellung gefordert, aber es wurde nur darüber gesprochen und keiner wusste, was zu tun ist“, sagt er.

Mit „Lang Toi“ trat Le schon 2012 in München auf - auf einen Auftritt in seiner Wahlheimat Berlin hofft Le noch. „Ich möchte es nach Berlin bringen, um Deutschland und Berlin zu danken“, sagt er. Die Nachfolge-Produktion, die „AO Show“, kommt im November für drei Monate nach Frankreich. Mit Hilfe von neuen musikalischen Einflüssen der ethnischen Minderheiten aus dem zentralen Hochland Vietnams erkundet Tuan Le in diesem Stück den Zusammenprall der städtischen und ländlichen Lebenswelten in Vietnam.

Wieder arbeitet er mit den mittlerweile für ihn typischen Stilelementen Akrobatik und Bambus in Verbindung mit Ballett. Seinen Stil wolle er nirgends einordnen, sagt Le. „Ja, es ist Zirkus, aber nicht nur Zirkus. Und ja, es ist Tanz, aber nicht nur Tanz.“