Retter fürchten den Absturz
Höhlentaucher suchen in der „Costa Concordia“ nach Überlebenden. Die Bergung muss immer wieder unterbrochen werden.
Giglio. Eigentlich haben sie gelernt, dunkle, enge Unterwasserhöhlen zu erkunden. Doch seit Tagen suchen die Höhlentaucher der italienischen Feuerwehr nach Überlebenden im Wrack der „Costa Concordia“. Einer von ihnen ist Paolo Boschi.
Boschi ist gerade von einer Frühschicht zurückgekehrt. Es ist Donnerstag, der sechste Tag seit dem Unglück. Im Hintergrund zeichnen sich die Konturen des riesigen Kreuzfahrtschiffes ab, leckgeschlagen und auf die Seite gekippt liegt es vor der Insel Giglio.
Boschi trägt einen Neoprenanzug und berichtet von der kräftezehrenden Arbeit seiner Einheit. „Manchmal bohren wir kleine Löcher in die Schiffswand. Dadurch führen wir dann eine Mikrokamera, angebracht an der Spitze einer Röhre“, erklärt er.
Auf diese Weise spüren er und seine Kollegen mögliche Hindernisse auf, wie Möbel und Trümmer, die sich gelöst haben, als sich das Schiff auf die Seite neigte. „All diese Dinge könnten über uns einstürzen. Es ist also lebenswichtig, dass wir wissen, was hinter einer verschlossenen Tür liegt, bevor wir hineingehen“, erklärt Boschi. „Stellen Sie sich vor, ein Konzertflügel stürzt auf Sie!“
Für ihre Arbeit über Wasser tragen die Taucher Kletterausrüstung. Mit Hilfe von Gurten und Seilen erklimmen sie die Seite des Schiffes, die von Land aus wie ein umgestürztes Hochhaus wirkt.
Geschult im Umgang mit Sprengstoff, haben sich die Taucher mit genau platzierten Wasserbomben ihren Weg durch das 290 Meter lange Schiff freigebombt. Sie arbeiten in Zwei-Mann-Teams. Nach 30 Minuten im Einsatz wechseln sich die Teams ab. Auch Taucher der Carabinieri beteiligen sich.
Doch die Helfer kommen nur langsam voran. Das liegt auch daran, dass das Schiff in Bewegung ist — es hat sich bereits jetzt um einige Zentimeter verschoben und droht in tiefere Gewässer abzurutschen. Die Rettungsarbeit musste daher immer wieder für Stunden unterbrochen werden.
„Jede Bewegung des Schiffes ist gefährlich, denn sie könnte zum Zusammenbruch führen“, sagt Boschi, kurz bevor Taucher einen weiteren unter Wasser stehenden Teil des Schiffes, die vierte Brücke, erkunden. „Wir könnten zerquetscht werden oder plötzlich festsitzen.“
Boschi ist erschöpft. Am nächsten Tauchgang wird er nicht mehr teilnehmen. Er ist auf dem Weg, eine Fähre zurück aufs Festland zu nehmen. Boschi darf nach Hause, zurück nach Pisa. Sein Team ist endlich abgelöst worden. Die Hoffnung, noch Überlebende im Schiffswrack zu finden, schwindet. Doch die Aufgabe, Leichen zu bergen, bleibt.
Sobald die Abpumparbeiten beginnen, wird die Suchaktion der Taucher wohl beendet. In den kommenden Tagen soll es losgehen. Bleibt da genug Zeit, um das Schiff mit seinen 1500 Kabinen, fünf Restaurants und 13 Bars gänzlich zu erforschen? „Ich glaube nicht“, sagt Boschi.