Richter beendet Verfahren gegen Strauss-Kahn
New York/Paris (dpa) - Das Strafverfahren gegen Dominique Strauss-Kahn wegen versuchter Vergewaltigung in New York ist eingestellt.
Richter Michael Obus folgte am Dienstag dem Antrag der Staatsanwaltschaft und beendete den Prozess gegen den 62-Jährigen, weil es Zweifel an der Glaubwürdigkeit des angeblichen Opfers gab. „Das Verfahren ist geschlossen.“ Der Franzose sollte auch seine eingezogenen Pässe schnell zurückbekommen. Mehr als drei Monate nach der Festnahme darf er dann Amerika verlassen.
Strauss-Kahn kündigte an: „Ich kann es kaum erwarten, in mein Land zurückzukehren, aber vor der Abreise gibt es noch ein paar kleinere Dinge zu erledigen.“ Er zeigte sich glücklich: „Das ist das Ende einer schrecklichen und ungerechten Probe.“
Die Behörde von Oberstaatsanwalt Cyrus Vance hatte bereits am Montag ihre Vorwürfe gegen den früheren Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückgezogen. In der Begründung erklärten sie, das Zimmermädchen Nafissatou Diallo habe durch zahlreiche Lügen ihre Glaubwürdigkeit verloren. Diallo hatte behauptet, der Franzose Strauss-Kahn habe in einem New Yorker Hotelzimmer versucht, sie zum Sex zu zwingen.
Richter Obus hatte Diallo zunächst die Möglichkeit eingeräumt, in Berufung zu gehen. Ein Berufungsgericht wies den Antrag am Dienstagabend zurück, die Klage unter einem anderen Staatsanwalt noch einmal aufzurollen. Damit erhalte Strauss-Kahn auch seine Reisepässe umgehend zurück, sagte die Sprecherin der New Yorker Justiz, Arlene Hackel, der Nachrichtenagentur dpa. Sie erklärte, die nächste Instanz habe das Gesuch umgehend aufgegriffen, um den Fall Strauss-Kahn endgültig zu den Akten legen zu können.
Trotzdem steht nun noch der Zivilprozess an. Diallo verlangt Schadenersatz. Dabei könnte DSK - wie der Franzose kurz genannt wird - auch in Abwesenheit zu einer Geldstrafe verurteilt werden. Im Unterschied zum Strafprozess muss der Zweifel an der Schuld des Angeklagten für eine Verurteilung nicht vollständig ausgeräumt sein.
Unklar ist, ob der 62-jährige Strauss-Kahn trotz der neusten Entwicklungen in seiner Heimat Frankreich noch eine politische Zukunft hat. DSK hatte die Vorwürfe stets bestritten, in deren Folge aber seinen IWF-Posten verloren. Er kündigte eine ausführlichere Erklärung für die Zeit nach seiner Rückkehr nach Frankreich an. Der Webseite „challenges.fr“ zufolge soll es unter anderem ein Interview für rund zehn große Tageszeitungen in aller Welt geben.
Vor dem Gericht waren an die hundert Kamerateams versammelt. Etwa zwei Dutzend Demonstranten protestierten mit Spruchbändern wie „DSK you must pay“ („DSK, du musst zahlen“) und „Diallo we support you“ („Diallo, wir unterstützen dich“).
Strauss-Kahn und seine Frau Anne Sinclair verließen gemeinsam das Gericht. Der Franzose trug einen dunklen Anzug mit blauem Hemd, Sinclair ein dunkles Jackenkleid.
Strauss-Kahns Anwalt Benjamin Brafman sagte: „Es war ein schrecklicher Alptraum, durch den er und seine Familie bis zu dem jetzigen Ende gelebt haben.“
In dem Schreiben der Staatsanwaltschaft steht: „Wir geben diese Empfehlung nicht leichtfertig ab.“ Es gebe aber keine andere Wahl.
Das 25-seitige Dokument der Anklagebehörde war auf der Internetseite der New Yorker Justiz veröffentlicht worden. Darin erläutert die Anklage, dass sie sich nicht in der Lage sehe, das Verfahren fortzusetzen. „(...) aufgrund der Art und Zahl der Lügen der Klägerin können wir ihrer Version der Geschehnisse nicht mehr vollständig Glauben schenken, was auch immer in Wahrheit bei der Begegnung zwischen der Klägerin und dem Angeklagten vorgefallen ist.“
Die Klägerin habe sowohl in wichtigen als auch in weniger wichtigen Details mehrfach gelogen, heißt es. Die Zeugin sei sogar unter Eid von der Wahrheit abgewichen, schreibt die Behörde. Fest stehe lediglich, dass es zu einer kurzen sexuellen Begegnung gekommen sei. „Wenn wir ihr nicht zweifelsfrei glauben, dann können wir das nicht von einer Jury erwarten“, schrieb die Staatsanwaltschaft. Der Fall gegen den einst mächtigsten Banker der Welt stehe und falle mit der Aussage der einzigen Zeugin.
In Frankreich wartet eine weitere Anklage wegen angeblicher sexueller Gewalt auf Strauss-Kahn. Eine junge Autorin wirft ihm vor, 2003 in einer Pariser Wohnung über sie hergefallen zu sein. Nach Ansicht von Experten könnte das Verfahren wegen fehlender Beweise allerdings ebenfalls eingestellt werden.
Der 62-Jährige war am 14. Mai kurz vor seinem Abflug nach Paris in New York festgenommen worden. Über seine künftigen Pläne wurde spekuliert: Der Zug für eine Präsidentschaftskandidatur Strauss-Kahns in Frankreich gilt zwar als bereits abgefahren. Ex-Kulturminister Jack Lang mutmaßte aber, dass Strauss-Kahns Stimme künftig dennoch Gewicht haben werde. Auch der Abgeordnete Manuel Valls sagte: „Es ist an ihm, seine Rolle zu definieren. Aber eines ist sicher: Seine Analysefähigkeit und seine Expertise werden für die Linke und Frankreich notwendig, nützlich und willkommen sein.“
Auch andere Parteifreunde Strauss-Kahns äußerten sich überwiegend positiv über die Gerichtsentscheidung in New York. Sozialisten-Chefin Martine Aubry sagte: „Das ist für mich eine riesige Erleichterung. Ich freue mich für Dominique Strauss-Kahn und Anne Sinclair.“