Richter: Pflege-Mafia machte sich die Taschen voll
Das Landgericht verurteilt neun Angeklagte. Der Schaden beträgt 4,7 Millionen Euro. Bei den Ärzten gibt es eine Mauer des Schweigens.
Düsseldorf. Der Vorteil eines russischen Pflegedienstes sei es, dass man Leistungen durch andere Leistungen ersetzen könne. Damit sollen die neun Angeklagten im Alter von 34 bis 63 Jahren, die gestern vom Düsseldorfer Landgericht wegen bandenmäßigen Betruges zu Haftstrafen verurteilt wurden, Kunden geworben haben. Tatsächlich wurden Putzfrauen, Taxi-Rechnungen, aber auch Fußpflege oder Ausflugsfahrten von Krankenkassen und Kommungen bezahlt. „Alle haben sich, so gut es ging, die Taschen vollgemacht“, erklärte der Vorsitzende Richter Guido Noltze in seinem Urteil.
Bereits 2007 soll der Hauptangeklagte in Düsseldorf den ersten Pflegedienst gegründet haben. Schon sehr bald wurden die Kunden in Pflicht- und normale Patienten eingeteilt. Während die Leistungen bei den Pflichtpatienten völlig korrekt abgerechnet wurden, soll bei den normalen Patienten schon sehr bald nur noch ein Bruchteil der Leistungen tatsächlich erbracht worden sein. Dabei bauten die Angeklagten, die fast alle aus Russland und der Ukraine stammen, ein System aus Firmen auf, um Scheinrechnungen zu erstellen.
Wie das funktionierte, wurde bei den Mitschnitten der Telefonüberwachung deutlich. Eine Pflegerin bemängelte, dass man bei der Dokumentation besser aufpassen müsse, um nicht aufzufallen. Es sei nicht logisch, wenn einem Patienten um 8 Uhr morgens Stützstrümpfe angezogen werden, der dann angeblich zwei Stunden später gebadet wird. „Das ist doch schon neun Jahre lang gut gegangen“, antwortete die Kollegin am anderen Ende, die sich offenbar absolut sicher fühlte.
Wie lukrativ das Geschäft war, konnte man in dem Prozess nur erahnen. Bei einem Angeklagten wurden zwei Kilo Gold und ein Nummernkonto in der Schweiz entdeckt. Angeblich wollte er damit seine Familie in der Ukraine unterstützen. Dazu erklärte der Richter: „Das war das Geld der deutschen Steuer- und Beitragszahler. Wir sind nicht das Sozialamt der Ukraine oder der Russischen Föderation.“
Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft den Schaden auf 8.,5 Millionen Euro geschätzt. Nachgewiesen werden konnten davon in dem Prozess immerhin 4,7 Millionen Euro. Es wurde angeordnet, dass rund 1,8 Millionen Euro aus dem Vermögen der Angeklagten und eines Pflegedienstes beschlagnahmt werden.
Nicht auf der Anklagebank saßen zwei Gruppen, die wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Pflege-Mafia Millionen scheffeln konnte. Das sind zum einen die Patienten und deren Familien, die zustimmten, dass Leistungen falsch abgerechnet wurden. Zum Teil handelt es sich dabei um Spätaussiedler jüdischen Glaubens, die von einer Mini-Rente leben müssen. Dass die Staatsanwaltschaft in diesen Fällen noch Verfahren einleitet, ist unwahrscheinlich.
Die Enttäuschung konnte man Staatsanwältin Petra Szczeponik dagegen anmerken, dass es nicht gelungen ist, gegen Ärzte zu ermitteln, die an dem Betrug beteiligt waren — obwohl das Gericht eindeutig feststellte, dass Bestechungsgelder geflossen sind. Dazu wollten auch die fünf Angeklagten, die ein Teilgeständnis abgelegt haben, nichts sagen. „Wenn es um die Ärzte ging, trafen wir auf eine Mauer des Schweigens“, so Szczeponik.
Obwohl alle Angeklagten bisher nicht vorbestraft waren, fielen die Strafen wegen der hohen kriminellen Energie der Bande und ihrer professionellen Vorgehensweise erheblich aus. Der 41-jährige Haupttäter muss für sieben Jahre ins Gefängnis. Nur zwei der Angeklagten kamen mit Haftstrafen von zwei Jahren davon, die zur Bewährung ausgesetzt wurden.