Richy wird zum Kommissar
Porträt: In der Rolle eines kriminellen Obdachlosen wurde Richy Müller bekannt. 30 Jahre später ermittelt er beim „Tatort“. Für ihn ist es ein „Ritterschlag“.
Stuttgart. Er ist höflich, leise, sympathisch. Kein Haudrauf, kein Rambo. Obwohl er noch immer oft dafür gehalten wird - doch darüber kann der Schauspieler Hans-Jürgen Müller, der sich nach seinem ersten Rollennamen "Richy" nennt, nur lachen: "Das war 1979 in meinem Film ,Die große Flatter’ so."
Dort hatte er einen kriminellen Obdachlosen gespielt, 22 Millionen Zuschauer schalteten ein, eine Traumzahl selbst in Zeiten von nur drei Programmen. Und nicht nur der Name, auch das Image haftete an ihm. Selbst bei der Nachricht, dass er nun Bienzle-Nachfolger beim SWR-"Tatort" werden würde, fragte ihn ein Reporter recht altklug, ob es nicht gut täte, nach all den Bösewichten endlich auf die "gute Seite" zu wechseln. Auch dazu lacht Müller: "Wenn der Mann gewusst hätte, dass von meinen über hundert Filmrollen gerade einmal zwanzig Bösewichte waren."
Am Sonntag wird man den 52-Jährigen ein erstes Mal als Hauptkommissar Lannert im "Tatort" sehen, wie er den Tod eines kleinen Mädchens aufklärt. Aber so ein eindeutig "Guter" ist auch dieser Lannert nicht. Er ist eher ein leicht düster umflorter Geselle, der da vom nebligen Hamburg ins trauliche Stuttgart wechselt, ohne Frau, ohne Kind (oder doch?) und von mancherlei Geheimnissen umwoben, die sich wohl erst nach und nach enträtseln werden.
Aber nicht zu hastig, "denn ich will ja noch eine Weile der Lannert sein", meint Müller, "und dabei für das Publikum spannend bleiben." Nicht zuletzt, weil es für einen Schauspieler nicht das schlechteste Gefühl ist, immer schon im Jahr zuvor zu wissen, was er wohl im nächsten Jahr zu tun haben wird. Und da schwingen trübe Erinnerungen an Zeiten mit, da es für ihn nicht so viel zu tun gab.
Das war gleich nach seinem großen Durchbruch in den 80ern so. Da wollte er wählerisch sein, nicht jeden Mist spielen, und die Branche revanchierte sich: Eine Weile blieben die Angebote gänzlich aus, und das bedeutete dann harten Existenzkampf - "nein, nicht um Rollen, ganz schlicht ums täglich Brot".
Scheinbare Tröster lockten: Drogen, Alkohol. Müller, der Gastwirtsohn, hat widerstanden. Weil er in seiner Jugend zu viele Menschen gesehen hatte, die am Alkoholmissbrauch zugrunde gegangen waren: "Ich wusste, was Alkohol anrichten kann."
Die Krise ging vorbei. Viele tolle Rollen kamen. Böse Buben, sanfte Pfarrer oder, wie zuletzt in "Ein verlockendes Angebot", der sympathische Jung-Unternehmer. Inzwischen sieht Müller nicht ohne Verwunderung auf eine bald dreißigjährige Karriere in einer Branche zurück, in der einzig das Unbeständige beständig ist. Und jetzt also ist ein "Tatort"-Kommissar an der Reihe, vielleicht ein Höhepunkt seiner Laufbahn.
Beruf Der gebürtige Mannheimer Hans-Jürgen Müller lernte zunächst Werkzeugmacher und ging dann zur Schauspielschule in Bochum. Nach ersten TV-Erfolgen war er in den 80er Jahren vorwiegend im Theater zu sehen.
Tatort Er tritt die Nachfolge von Dietz-Werner Steck (Kommissar Bienzle) an. Sein Ermittler-Kollege Kommissar Bootz wird von Felix Klare (29) gespielt.