Run auf Nachlass von Pierre Brice

Mühlenbeck (dpa) - Im spannendsten Augenblick bricht der Rechner zusammen: Als bei der Versteigerung des Nachlasses von Winnetou-Darsteller Pierre Brice seine legendäre Silberbüchse Stück für Stück näher rückt, legen die Internet-Bieter den Server lahm.

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Auch in der riesigen Auktionshalle in Mühlenbeck bei Berlin gab es eine rund halbstündige Zwangspause. Als Auktionator Michael Lehrberger am Sonntag das Objekt der Begierde schließlich aufrufen kann, prasseln die Gebote nur so auf ihn ein. Mit 65 000 Euro wird ein Fan im Saal schließlich der Gewinner. Seinen Namen möchte er nicht nennen, nur so viel: „Die Silberbüchse ist schon immer mein Jugendtraum gewesen.“

Um Punkt 10.00 Uhr war am Samstag erstmals der Hammer gefallen: Das erste Spielzeugauto von Pierre Brice, ein kleiner gelber Citroën zum Aufziehen, findet für 280 Euro einen neuen Besitzer. Am Ende der zweitägigen Auktion steht das letzte „Spielzeugauto“ des legendären Winnetou-Darstellers zum Verkauf - ein metallicgrauer Jaguar mit 238 PS, Holz-Lenkrad und weißen Ledersitzen. Dazwischen liegt ein Leben von 86 Jahren.

Die 20 Jahre jüngere Witwe Hella Brice lässt fünf Monate nach dem Tod ihres Mannes mehr als 1500 Erinnerungsstücke aus dem gemeinsamen Haus in Frankreich versteigern. „Ich bin ganz zufrieden. Ich habe gut geschlafen und mit Pierre gesprochen“, sagt sie bei ihrer Ankunft. „Die Versteigerung war ja sein eigener Wunsch.“

Neben der Silberbüchse, einem Nachbau des Film-Originals, gehört zu den besonders begehrten Objekten etwa der Dolch eines deutschen Offiziers, den Pierre Brice 1945 geschenkt bekam. Der Offizier hatte mit einer Französin ein uneheliches Kind, ihm drohte deshalb der Einsatz an der Ostfront und damit ziemlich sicher der Tod. Brice überstellte ihn an die amerikanischen Einheiten und erhielt als Dank für die Lebensrettung den schmalen Dolch.

2700 Euro legt Rainer König (55) dafür auf den Tisch. „Ich bin nur wegen diesem Stück gekommen“, sagt der Neubesitzer stolz. „Mich hat die Geschichte zusammen mit dem Namen Pierre Brice so fasziniert, dass ich das Teil unbedingt haben wollte.“ Ein weiterer Dolch aus dem Indochina-Krieg, der dem Schauspieler einst das Leben rettete, holt später gar 4500 Euro.

Einen Teil des Gesamterlöses will die Witwe an die Initiative „Dalai Lama future4children“ stiften, die missbrauchten Frauen und Mädchen in Südindien ein neues Zuhause geben möchte. „Pierre hätte sich das gewünscht - es war sein letztes Hilfsprojekt“, sagt sie. „Er hat mich gelehrt, loszulassen und zu teilen.“

Und schnell kommt in der Halle einiges zusammen. So geht das spitzenbesetzte Taufkleidchen von Klein-Pierre für 460 Euro weg, ein von ihm als Kind gebasteltes U-Boot mit rostigen Nägeln als Takelage bringt 550 Euro ein. Ein Winnetou als Pappaufsteller erzielt 1200 Euro, ein Kostüm des edlen Apachen-Häuptlings 4200 Euro und getragene Samthausschuhe gar 5000 Euro.

Allein im Internet hatten sich mehr als 20 000 Bieter angemeldet. Wegen des großen Ansturms und der immer neuen Gebote waren bis zum Sonntagnachmittag erst etwa die Hälfte der Lose verkauft, der wertvollere Teil stand noch aus. „Die Nachfrage ist gigantisch. Das übertrifft all unsere Erwartungen“, sagte der Chef des Berliner Auktionshauses Historia, Christian Gründel.

Für viele der über hundert Menschen im Saal hatte die Auktion eine besondere persönliche Bedeutung. „Für mich ist es eine Brücke, um Abschied zu nehmen“, sagt Frank Wunderlich (63), der als Stunt- und Castingfotograf seit 1977 immer wieder Bilder von Pierre Brice gemacht hat.

Und Michael Petzel, Geschäftsführer des Karl-May-Archivs in Göttingen, meint: „Die Versteigerung gibt den Fans das Gefühl, bis zum Schluss an seinem Leben Anteil zu nehmen. Es ist sein letzter großer Auftritt.“