Gesundheitskarte Flüchtlinge: Direkter Weg zum Arzt

Bislang nur neun der 396 NRW-Kommunen führen ab dem Jahr 2016 die Gesundheitskarte ein. Was bringt, was kostet sie?

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Düsseldorf. Die elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge soll ab nächstem Jahr die Kommunen entlasten. Wir zeigen, wie sich das Projekt seit der Vorstellung durch NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) im August entwickelt hat und wie es funktioniert.

Es geht um diejenigen Flüchtlinge, die bereits den Gemeinden zugewiesen wurden, die sich also nicht mehr in Erstaufnahmeeinrichtungen befinden. Vor einem Arztbesuch müssen sie sich beim Sozialamt der Kommune einen Behandlungsschein holen. Ein Mitarbeiter des Sozialamts entscheidet letztlich darüber, ob der Arztbesuch erforderlich ist. Mit der elektronischen Gesundheitskarte kann sich der Flüchtling wie andere Menschen auch direkt an den Arzt wenden. Für die Kommune entfällt der bisherige Verwaltungsaufwand.

Nein, der Arzt rechnet zwar zunächst mit der Kasse ab, diese bekommt aber die Kosten von der für den Flüchtling zuständigen Kommune erstattet. Die ärztliche Leistung wird also wie bisher schon von der Kommune bezahlt. Hinzu kommt ein Betrag, den die Kasse der Kommune für die ihr entstehenden Verwaltungskosten in Rechnung stellt.

Bisher machen in NRW neun Kommunen mit: Alsdorf, Bonn, Gevelsberg, Monheim, Mülheim, Oberhausen, Sprockhövel und Wermelskirchen. Der Düsseldorfer Stadtrat beschloss am Donnerstag die Einführung der Karte. Laut Landesgesundheitsministerium haben weitere Städte bereits signalisiert, dass entsprechende Beschlüsse in Kürze fallen könnten. In Wuppertal soll eine mögliche Beteiligung Anfang des kommenden Jahres Thema in den Ausschüssen und im Rat sein.

Christoph Meinerz, Sprecher des Landesgesundheitsministeriums sagt: „Von vielen Gemeinden haben wir Anfragen und Nachfragen zur Klärung bestimmter Details, sicherlich auch zur Vorbereitung von Ratsbeschlüssen, die in der Regel vor einer Entscheidung für den Einsatz der Gesundheitskarte erforderlich sind. Wir gehen aufgrund des regen Interesses davon aus, dass derzeit in zahlreichen Gemeinden solche Klärungs- und Entscheidungsprozesse laufen.“

Meinerz betont, dass die Erfahrungen mit der Gesundheitskarte für Flüchtlinge in Hamburg und Bremen gezeigt hätten, dass es dort zu Einsparungen in der jeweiligen Verwaltung gekommen ist. Zum Beispiel durch weniger Personaleinsatz, auch eine schnellere Behandlung von Flüchtlingen im Krankheitsfall könne Kosten sparen. Die Gemeinden profitieren außerdem von Rabattvereinbarungen und anderen Instrumenten der gesetzlichen Krankenversicherung. Letztlich müsse jede Kommune für sich selbst Kosten und Nutzen der Gesundheitskarte abwägen.

Die 43 000-Einwohner-Stadt Monheim (Kreis Mettmann) war die ersten Kommune in NRW, die sich fürs Mitmachen ab Januar 2016 entschieden hat. Bürgermeister Daniel Zimmermann, dessen Stadt 465 zugewiesene Flüchtlinge betreut, schätzt die Kosten, die seine Kommune den Krankenkassen für den Verwaltungsaufwand durch die elektronische Gesundheitskarte bezahlen muss, auf insgesamt 125 000 Euro. Zimmermann rechnet vor, dass dies fast drei Personalstellen entspreche und damit durchaus teurer sei als der bisherige Verwaltungsaufwand, für den man etwa eine Viertel Stelle einsetze. Hinzu komme natürlich wie bisher schon die Bezahlung der Behandlungskosten im Einzelfall. Finanziell sei die Belastung für Monheim nach dem neuen Verfahren zwar höher, aber das hält Zimmermann für angemessen. „Das bisherige System, bei dem ein Mitarbeiter des Sozialamts über die Behandlungsbedürftigkeit entscheidet, halte ich für schlecht.“ Es sei sozialpolitisch nicht vertretbar, die Flüchtlinge schlechter zu behandeln. „Wir sind in der Verantwortung, uns angemessen um die Menschen zu kümmern.“ Könne der Asylbewerber direkt zum Arzt gehen, sei das für ihn selbst besser. Aber auch für den Arzt, der dann weniger Verwaltungsaufwand hat, wenn er direkt mit der Kasse abrechnet.

Das sieht Gesundheitsministerin Barbara Steffens nicht so: Denn einen Zugang zum deutschen Gesundheitssystem erhielten Flüchtlinge auch ohne elektronische Gesundheitskarte. Steffens betont: „Flüchtlinge, die akute Schmerzen haben oder krank sind, sollen künftig direkt zu einer Ärztin oder einem Arzt gehen können — wie jeder andere Mensch in Deutschland auch.“