So lief die Trauerfeier Tausende nehmen Abschied von Gorbatschow in Moskau
Tausende haben am Samstag Abschied von Michail Gorbatschow genommen - ohne großen Pomp und auch ohne Russlands Präsident Wladimir Putin.
Mehrere Tausend Menschen haben am Samstag in Moskau vom letzten sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow Abschied genommen. Vor dem Haus der Gewerkschaften, wo der am Dienstag gestorbene Friedensnobelpreisträger aufgebahrt war, bildete sich eine lange Schlange. Am offenen Sarg legten viele dann Blumen nieder. Wegen des Ukraine-Kriegs reisten keine hochrangigen Staatsgäste aus dem Ausland an. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin fehlte - offiziell wegen einer Dienstreise. Aus der EU kam allein Ungarns Regierungschef Viktor Orban. Gorbatschow, einer der wichtigsten Wegbereiter der deutschen Einheit, wurde 91 Jahre alt.
Vor dem Haus der Gewerkschaften in Sichtweite des Kremls bildete sich über Stunden eine lange Schlange, wie ein dpa-Reporter vor Ort berichtete. In dem Gebäude lag der Leichnam des ehemaligen Staats- und Parteichefs in einem großen Raum mit Säulen im offenen Sarg - so war das schon bei früheren Sowjetführern nach deren Tod üblich. Gorbatschows Tochter Irina nahm schwarz gekleidet und mit dunkler Maske vor dem Mund Beileidsbekundungen entgegen.
Im Unterschied zu früheren Kremlchefs - wie beispielsweise Nachfolger Boris Jelzin (1931-2007) - bekam Gorbatschow kein Staatsbegräbnis. Der Sarg wurde von Ehrenwachen flankiert, aber die große politische Prominenz war nicht dabei. Putins Fehlen am Samstag wurde vom Kreml mit Terminproblemen begründet. Er war allerdings schon am Donnerstag am Sarg. Aus Russland kamen Ex-Präsident Dmitri Medwedew, der liberale Oppositionspolitiker Grigori Jawlinski sowie der Journalist Dmitri Muratow, ebenfalls Träger des Friedensnobelpreises.
Ohne den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wären wohl auch zahlreiche hochrangige Politiker nach Moskau gekommen, um Gorbatschow die letzte Ehre zu erweisen. Für viele Politiker westlicher Länder wie beispielsweise US-Präsident Joe Biden war eine Teilnahme nun auch nicht möglich, weil sie von russischer Seite als Reaktion auf die Sanktionen des Westens mit Einreiseverboten belegt wurden. Zudem ist der russische Luftraum für Flugzeuge aus „unfreundlichen EU-Staaten“ derzeit gesperrt.
Deshalb nahmen vor allem ausländische Botschafter und Diplomaten von Gorbatschow Abschied. Deutschland ließ sich vom Geschäftsträger der Botschaft in Moskau vertreten. Die Beisetzung sollte dann am Nachmittag in kleinerem Kreis stattfinden. Gorbatschow findet auf dem auf dem Moskauer Prominentenfriedhof am Neujungfrauenkloster in der Nähe des Stadtzentrums seine letzte Ruhe - neben seiner Frau Raissa.
Gorbatschow war in den Jahren 1985 bis 1991 der letzte Staatschef der Sowjetunion. Er galt als Wegbereiter für das Ende des Kalten Krieges und genoss vor allem in Deutschland enormes Ansehen. Unter seiner Führung schloss die Sowjetunion in den 1980er Jahren mit den USA wegweisende Verträge zur atomaren Abrüstung und Rüstungskontrolle. In seiner Heimat leitete der Politiker als Generalsekretär der Kommunistischen Partei mit seiner Politik von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) einen beispiellosen Reformprozess ein.
Der politische Prozess führte letztlich zu einem Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums. Viele Politiker und Bürger Russlands sehen Gorbatschow deshalb als „Totengräber der Sowjetunion“. Bis zum Nachmittag erschienen zu der Trauerfeier auch keine Staats- und Regierungschefs der ehemaligen Sowjetrepubliken. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan würdigte in einem Telefonat mit Putin Gorbatschows „bedeutende Rolle“ in Russland und der Welt.
In Deutschland wurde in einigen Bundesländern Trauerbeflaggung angeordnet. Vor dem Kanzleramt hingen Bundesflagge und Europafahne auf halbmast. Der Bundestag will am Mittwoch im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an Gorbatschow erinnern.