Sammlung: Eier in allen Größen und Farben
Die Sammlung in Halle gehört zu den wichtigsten weltweit.
Halle. Ein riesiger Schatz liegt im Dunkeln. UV-Licht ist tabu, Erschütterungen wären ein Drama: „Damit würde man den wissenschaftlichen Wert der Vogeleier sofort kaputtmachen“, sagt der Biologe Frank Steinheimer von der Martin-Luther-Universität in Halle. Dort hüten Wissenschaftler nach eigenen Angaben eine der bedeutendsten Eiersammlungen weltweit.
Die oologische — also eierkundliche — Vergleichssammlung umfasst 20 000 Eier von knapp 4000 Arten. Die meisten stammen aus der Sammlung des Eierforschers Max Schönwetter (1874-1961), die nach dem Tod des Vermessungsingenieurs aus Thüringen nach Halle kam. Dazu zählt ein Ei vom kleinsten Vogel der Welt, der Bienenelfe, einer Kolibri-Art. Es ist so klein wie eine Erbse, etwa fünf Millimeter lang und wiegt zwischen 0,25 und 0,4 Gramm.
Das größte Ei der Sammlung stammt vom ausgestorbenen Madagaskar-Strauß. Es war ursprünglich 30 Zentimeter lang und 23 Zentimeter breit und hatte einen Inhalt von acht Litern — das entspricht 148 Hühnereiern, sagt Wolf-Rüdiger Große, Leiter der Zoologischen Sammlung der Universität.
Nur unter strengsten Auflagen und für Wissenschaftler ist die Vogeleiersammlung zugänglich. „Für jedes Ei braucht man eine Genehmigung“, sagt Steinheimer. „Wir wissen von jedem Ei, von welchem Vogel es stammt“, betont er mit Blick auf die akribische Dokumentation. Farblich sind die Eier sehr unterschiedlich, ob beige, mit Pünktchen oder schwarzbraun. Die Exemplare dienen etwa zur Gewinnung neuer Erkenntnisse über ausgestorbene Arten, Brutdaten oder den Einfluss von Umweltgiften auf die Vogelwelt. „Das kann man an den Eiern alles erkennen“, sagt der Forscher.
Älteste Eier in der Ausstellung sind rund 200 Jahre alt
Mit wissenschaftlichen Methoden sei es möglich, etwa anhand der DNA die Verwandtschaftsverhältnisse von Vogelarten zu rekonstruieren, die selten oder gar ausgestorben sind. „Wir haben in Halle Anfragen von Forschern aus der ganzen Welt“, sagt Steinheimer. Die Eier könnten auch über den Klimawandel Aufschluss geben. Die ältesten Exemplare der Sammlung sind 200 Jahre alt. Zu den Schätzen gehöre ein Ei der mittlerweile ausgestorbenen Wandertaube, die einst in Nordamerika lebte. „Die Wandertaube wurde im 19. Jahrhundert extrem gejagt, weil sie als Ernteschädling angesehen wurde“, sagt Steinheimer.
Die Schönwetter-Sammlung aus Halle wurde 2012 in die Liste des national wertvollen Kulturgutes aufgenommen. In Fachkreisen sind wissenschaftliche Eiersammlungen vor allem in England und den USA bekannt. Eier-Bewunderer in NRW können im Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn 60 000 Exponate bewundern.