Sandra Kranich: Die mit dem Feuer tanzt
Frankfurt/Rüsselsheim (dpa) - Sandra Kranich wollte schon immer „mit Feuerwerk zeichnen“. Als ausgebildete Pyrotechnikerin konstruiert die Künstlerin aufwändige geometrische Gebilde - und jagt sie dann lustvoll in die Luft.
Was sie daran spannend findet, ist „der Moment, wo die Zerstörung in etwas Produktives übergeht“, berichtet die Wahl-Frankfurterin.
Derzeit stellt die 44-Jährige in den Opelvillen in Rüsselsheim aus. „Dynamic Memory“ heißt die Schau, die noch bis Oktober zu sehen ist. Der Titel passt perfekt zu dem, was Kranich an der Urgewalt der Elemente künstlerisch interessiert: „Wie kann ich diese Kraft und Energie einfangen, die das Feuerwerk freisetzt?“
Kunst mit Feuer ist eine Rarität. Wer ein bisschen sucht, stößt auf den Schweizer Roman Signer oder auf den 2014 gestorbenen Otto Piene - aber niemand arbeitet so intensiv mit Feuer und Feuerwerk wie Sandra Kranich. „Licht und Feuer gehören seit nunmehr 15 Jahren zu den wichtigsten Gestaltungsmitteln von Sandra Kranich“, schreibt Astrid Ihle im Katalog über Kranichs Gesamtwerk, der in diesem Jahr im Verlag für Moderne Kunst erschienen ist.
Die 1971 in Ludwigsburg geborene Künstlerin hat an der Hochschule für Gestaltung Offenbach bei Heiner Blum und an der Frankfurter Städelschule bei Thomas Bayrle studiert. Nach dem Studium suchte sie sich eine sogenannte Feuerwerkerei, um sich dort ausbilden zu lassen. Seit 2003 darf sie sich „staatlich anerkannte Pyrotechnikerin für Großfeuerwerke“ nennen. Sie darf in Galerien funkensprühende Feuerwerke in Betontaschen zünden, Feuer in Metallschienen durch Ausstellungsräume rasen lassen, riesige Holzkonstruktionen mehrstufig in ein Häufchen Asche verwandeln oder es aus einem Berg goldener Metalldosen knallen lassen.
Die Dosen aus der Aktion in Zürich ließ sie später - einschließlich der tragenden Metallkonstruktion und der Zündschnüre - in einer Industriepresse zu koffergroßen Metallblöcken pressen. In Rüsselsheim sind drei davon zu sehen. „Da steckt die ganze Zeit und Energie der Ausstellung drin“, findet Kranich.
Meist ist das Feuerwerk aber Mittel zum Zweck. Kranich zündet Feuerwerke hinter Bildern aus sich überlagernden Metallplatten. Die Explosion verfärbt das Material und hinterlässt Spuren an der Wand. „Das Feuerwerk ist über den Moment hinaus Bild definierend und bestimmend“, heißt es im Vorwort des Katalogs. „Die Skulptur erhält erst nach der Zündung des Feuerwerks ihre entscheidende Form.“
Solche Kranich-Werke kann man sich dann sogar an die Wand hängen. Manche Käufer wünschen sich, dass das Kunstwerk bei ihnen zu Hause an der Wand „gezündet“ wird, berichtet Kranichs Galerist im Magazin „Art Investor“. Das Fachblatt ist der Ansicht, „dass das Interesse an Kranichs Kunst zugenommen hat - und die Bereitschaft der Institutionen für Extravagantes“.
In Rüsselsheim zeigt Sandra Kranich Arbeiten, die „ein ganz neuer Schritt in ihrem Werk“ sind, wie Beate Kemfert sagt, die Direktorin der Opelvillen: Sie nutzt die zerstörerische Kraft der Explosion, um Metall zu dreidimensionalen Kunstwerken zu formen. Kranich hat dafür Metallskulpturen von einem Sprengmeister in die Luft jagen lassen - in einem Steinbruch. Wie Blütenblätter biegen sich die Arme nun auf.
Immer häufiger lässt sie die Kräfte des Feuers im Vorfeld im Geheimen auf ihre Kunstwerke los. Kranich will „keine Eventkünstlerin“ sein. Die Feuerwerke werden seltener - obwohl sie sie immer noch liebt. „Fast unerträglich schön“ findet sie manchmal die Farbenspiele, die sie mit Hilfe der Pyrotechnik selbst erschafft.
Selbst Allerwelts-Feuerwerken wie bei Stadtfesten und auf Rummelplätzen kann sie etwas abgewinnen. Auf der Frankfurter Dippemess' hat sie während ihrer Ausbildung sogar einmal selbst „gefeuert“. Was sie stört ist die Tradition, möglichst bombastische Musik abzuspielen. „Ein Feuerwerk hat doch so tolle Geräusche...“