Schnee und Eis lähmen Europa - rund 290 Kältetote
Berlin/Rom/Belgrad (dpa) - Der Winter wird immer gefährlicher: Eine Woche nach dem Frosteinbruch machen Schneemassen und Blitzeis Europa zu schaffen. Rund 290 Menschen starben bislang in der Kälte. Der stärkste Schneefall seit Jahrzehnten löste vor allem in Serbien und Italien ein Verkehrschaos aus.
In Rumänien und Bulgarien kam nach dem Schnee der Regen und sorgte für tückisches Glatteis. Zehntausende blieben ohne Strom. Soldaten wurden zu Räumarbeiten eingesetzt. In Deutschland war die Nacht zum Sonntag mit minus 28 Grad die bisher kälteste Nacht des Winters. Und es soll noch kälter werden. Zugleich sind neuer Schnee und Stürme angekündigt.
In Mittel- und Süditalien herrschte Winterchaos. Zwei Menschen starben, als Dächer unter der Last des Schnees zusammenbrachen. Bis zu 120 000 Menschen waren zeitweise ohne Strom. Tausende blieben in Zügen oder Autos stecken. In Rom und anderen Städten befreiten Soldaten die Straßen von Schnee und Eis. In den Abruzzen nahe Rom wurde der Notstand ausgerufen.
Angesichts einer bis zu zwei Meter hohen Schneedecke galt in Serbien am Samstag in fast 30 Gemeinden der Ausnahmezustand. Alle Grund- und Mittelschulen sowie Kindergärten sollten diese Woche geschlossen bleiben. Die Regierung in Belgrad rief die Bürger zur Hilfe beim Schneeräumen auf. Lawinen schlossen etwa 90 Menschen in einem Straßentunnel in Montenegro 24 Stunden lang ein. Im kroatischen Dalmatien galt der Notstand.
Erst Schneestürme, dann Regen in Teilen Bulgariens, Rumäniens und Griechenlands. Befahrbar waren praktisch nur die Hauptstraßen auf der Route von US-Außenministerin Hillary Clinton, die sich kurz in der bulgarischen Hauptstadt Sofia aufhielt. In zwei Gemeinden im Süden wurde der Notstand ausgerufen. Ein Stausee drohte überzulaufen. Der schnell gefrierende Regen verwandelte viele Landstraßen in Rutschbahnen. In Nordgriechenland beschädigten die Fluten Hunderte Geschäfte und Häuser. Eine 80-jährige Frau ertrank in ihrem Haus.
Dem harten Winter fallen europaweit vor allem Obdachlose zum Opfer. Allein in der Ukraine fanden bislang insgesamt 131 Menschen den Kältetod. Dort erfroren am Wochenende wieder 30 Bürger bei Rekordtemperaturen von minus 30 Grad; in Rumänien waren es zehn Menschen und damit seit Ausbruch der Kältewelle insgesamt 34. In Polen starben laut Regierung am Samstag und Sonntag 15 Bürger im Frost. Dort erlitten bislang insgesamt 53 Menschen den Kältetod. Im Baltikum kostete der Frost weiteren fünf Menschen das Leben.
In Rom und Umgebung erfroren drei Frauen und ein Mann. Aus Frankreich wurden am Wochenende drei neue Kältetote und damit insgesamt vier gemeldet. Zudem kam ein elfjähriger Junge ums Leben, als er durch das Eis in einen See einbrach. Auch in Deutschland starben schon mehrere Menschen den weißen Tod. Weitere kamen beim Wintersport ums Leben. Von zwei eingebrochenen Eisläufern wurde am Samstag einer tot geborgen, die Suche nach dem anderen wurde eingestellt. In Südtirol riss eine Lawine zwei Skifahrer ins Verderben.
Die Kälte lähmt zudem den Schiffsverkehr. Auf der Elbe bildete sich so viel Eis, dass der Fluss von Magdeburg bis Hamburg unbefahrbar war, wie die Wasserschutzpolizei mitteilte. Auch der Elbe-Havel-Kanal und Teile des Main-Donau-Kanals waren dicht.
In Italien rammte ein Fährschiff in Civitavecchia nordwestlich von Rom im Schneesturm einen Hafendamm und wurde dabei schwer beschädigt. Das Schiff mit mehr als 300 Passagieren und Besatzung an Bord wurde evakuiert.
In Großbritannien reichten rund zehn Zentimeter Schnee aus, um ein Verkehrschaos auszulösen. Europas größter Flughafen London-Heathrow strich mehr als 600 Flüge und damit die Hälfte aller Starts und Landungen für Sonntag. In Frankreich wurde auf dem Flughafen von Toulouse der Verkehr wegen starken Schneefalls zeitweise eingestellt. Busse blieben in den Depots. Auch aus Deutschland, Belgien und der Schweiz wurden Störungen und Verspätungen im Bahnverkehr gemeldet.
Deutschland stehen indes weitere Wetterextreme ins Haus. „Am Dienstag wird es noch frostiger“, sagte Meteorologe Christoph Hartmann vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. Die bislang tiefste Temperatur war in der Nacht zum Sonntag mit minus 28 Grad in Oberstdorf gemessen worden. Von Mittwoch an sollen die Werte dann deutlich steigen. Ein Italientief soll wärmere Luft bringen. Die Temperaturen machen einen Sprung um bis zu zehn Grad. Zugleich soll es vor allem im Südosten kräftig zu schneien beginnen.
Die Kältewelle drang selbst bis Nordafrika vor. In höheren Lagen der algerischen Hauptstadt Algier fiel seit Jahren wieder richtig Schnee. Zahlreiche Kinder, die noch nie weiße Flocken gesehen hatten, stürzten sich nach Augenzeugenberichten begeistert nach draußen.