Senioren: Erste Fahrstunde in der Rollator-Schule

Viele Menschen mit Gehhilfen fühlen sich im Verkehr unsicher. Eine Kölner Klinik setzt auf Aufklärung und gibt sogar Unterricht.

Köln. Der Senior hat keine Chance. Mit 50 Kilometern in der Stunde trifft ihn der Kleinwagen. Im Bruchteil einer Sekunde prallt der Mann gegen die Frontscheibe, überschlägt sich und landet nahezu ungebremst auf dem Asphalt. Ein verlorener Schuh kullert an ihm vorbei, zusammen mit dem demolierten Blechhaufen, der mal ein Rollator war. Im echten Leben hätte er wohl nicht überlebt.

Beim Crashtest der Dekra ist glücklicherweise nur ein Dummy zu Schaden gekommen. Doch mit fortschreitender Mobilität bis ins hohe Alter nehmen auch Unfälle bei älteren Menschen zu. Das Statistische Bundesamt hat errechnet, dass Über-75-Jährige im Jahre 2011 bei Verkehrsunfällen zu 76 Prozent die Verursacher waren.

Neben Fußgängern und Autofahrern ist immer häufiger ein drittes Element am Unfallgeschehen beteiligt: der Rollator. „Auch wenn bisher keine genauen Statistiken existieren, kann man davon ausgehen, dass die Zahl der Unfälle mit ihnen zugenommen hat“, sagt Dekra-Sprecher Friedhelm Schwicker.

Zumindest in Köln soll sich das ändern. Larsen Lechler, Leiter des Therapie- und Gesundheitszentrums im Krankenhaus St. Hildegardis, hat eine „Rollator-Fahrschule“ ins Leben gerufen. „Am Anfang wurden wir belächelt“, sagt Lechler. „Inzwischen kommen Teilnehmer aus der gesamten Umgebung.“

Die meisten bedienten ihren Rollator automatisch falsch. Das gehe schon bei den Griffen los. „Man stellt sie zu hoch ein, schiebt den Rollator so weiter von sich weg.“ Schuld seien keineswegs die Senioren, denn die bekämen es nirgendwo richtig gezeigt — außer in der Rollator-Fahrschule.

Im Innenhof der Klinik geht’s ans Eingemachte: Zielsicher steuert Bärbel Landberg ihre Gehhilfe um orangefarbene Hütchen. „Nicht zu dicht auffahren“, mahnt Lechler, während er die Haltung der 69-Jährigen korrigiert. Der Slalom ist ein Teil des Parcours, den die 14 Teilnehmer nach der Theorie überwinden müssen. Landberg schlägt sich wacker. „Im Alltag komme ich ganz gut zurecht“, sagt die Kölnerin, die seit Februar einen Rollator besitzt. „Schwierig wird es, wenn ich Treppen gehen muss.“

Die nächste Übung kommt dieser Hürde sehr nahe: Überwinden einer Bordsteinkante. Nicht bei allen klappt es auf Anhieb, selbst mit Anlauf prallen die Rollatoren an dem Hindernis ab. Lechler setzt auf die sanftere Methode: „Fahren Sie ganz dicht an die Kante heran, bevor Sie die Ankipphilfe nutzen.“

Ob die Rollator-Fahrschule auch die Verkehrssicherheit verbessert, wird sich noch zeigen müssen. Bisher ist nicht einmal klar, ob Personen mit Rollator in der Statistik als Fußgänger oder Fahrzeugführer gelten.

„Fest steht, dass Unfälle mit Senioren stark zunehmen“, sagt auch Natalie Kohn, Hauptkommissarin bei der Kölner Polizeidirektion. Ihr wichtigster Tipp — vor allem mit Blick auf den Herbst: den Rollator mit Reflektoren und Licht ausstatten. „Manche mögen das für unästhetisch halten“, sagt Kohn. „Aber wenn sie blutig auf der Straße liegen, ist das auch nicht besonders hübsch.“