Silbereisen, der furchtbar Nette
Leserabstimmung: Der Moderator von Volksmusikshows ist bei unserer Nervensägen-Aktion weit vorn gelandet – ob es an der aggressiven Herzigkeit liegt?
Passau. Plaudern wir doch erst mal aus dem Redaktions-Nähkästchen. Als wir seinerzeit gemeldet haben, dass Florian Silbereisen im Februar 2004 die "Feste der Volksmusik" in der ARD übernehmen werde, stand unter dem Foto in Klammern das Alter: 22.
Am Tag darauf stand das Telefon nicht still: Die 22 Jahre wären ja wohl ein grober Fehler. So wie der Mann auf dem Foto aussähe, müsste er viel älter sein. Da hat uns Florian Silbereisen schon ein bisschen Leid getan, aber das nützt ja auch nichts gegen die scharf geschnitzten Falten zwischen Nase und Mund.
Augenscheinlich zehrt es, wenn man ab dem sechsten Lebensjahr bei Volksfesten auftritt und wenig später Dauergast in Karl Moiks Musikantenstadl wird. Wenn jemand wie Florian Silbereisen vor der Zeit optisch derart ausreift, kann das Schicksal eines erfolgreichen Volksmusikanten nicht leicht sein.
Die Aufgabenbeschreibung ist klar: Produktion von heiler Welt. Deshalb sind hier alle immerzu furchtbar fröhlich. Sie lächeln, sie singen, und beim Lächeln und Singen greifen sie mit weit ausholender Geste dorthin, wo das Herzchen sitzt.
Ganz gleich, ob das Frühlings- oder das Adventsfest der Volksmusik über den Bildschirm geht: Die Versatzstücke stehen fest. Florian Silbereisen singt immer dasselbe Anfangslied - mittlerweile klappt auch der Gesang zum Playback einigermaßen. Es gibt immer eine Kinderschar, die zu tätscheln ist, Sangeskollegen zum kumpeligen Umarmen und Überraschungen, die so rumpelig inszeniert sind, dass man kaum noch merkt, dass sie welche sein sollen.
Und nach der Sendung geht die Show weiter. Florian Silbereisen sagt immer, er sei Weihnachten am liebsten bei seiner Mutter daheim, weil die so gute Schweinswürstl mache. Als Vorbild nennt er zuverlässig Peter Alexander. Den Musiksender MTV hat der Mittzwanziger noch nie geguckt.
Florian Silbereisen ist aber so gewitzt, zwischendurch bunte Kleinigkeiten in die gedämpfte Milchglasatmosphäre der heilen Welt zu streuen: Bei seinen Auftritten trage er immer den selben roten Slip, ließ er Vertreter der Boulevardpresse schon mal wissen. Wir wissen nicht, ob ihm das in der Kategorie Jugendfrische Pluspunkte eingebracht hat, doch an der Stoffqualität seiner Unterwäsche ist wohl nichts auszusetzen.
Es gibt aber Momente, und es gibt sie sogar in der ARD, in denen seine Zuckerbäckerfassade zerbröselt. Wenn etwa die Sendung "Verstehen Sie Spaß?" dem Kollegen Silbereisen einen Streich spielt. Für eine Filmszene seiner Show stellt man ihm ein schnuckeliges Auto hin, mit dem er über die Wiese hoppeln soll. Natürlich macht sich das teure Gefährt selbstständig. Als auch noch die Polizei erscheint, rutscht Herrn Silbereisen endgültig das Lächeln aus dem Gesicht.
Man habe wohl noch gefeiert am Abend vorher, sagt er. Seine Kontaktlinsen habe er auch noch nicht eingesetzt. Deshalb habe er auch gar nicht richtig gesehen, was denn passiert sei. Aber publik dürfe der Schaden keinesfalls werden, fleht er fast.