Eltern vor Gericht „So sollte kein Kind leben“ - Prozess um verwahrloste Kinder
Düsseldorf. „Ein Mädchen hat uns angelächelt, und man konnte nur noch schwarze Zahnstumpen erkennen“, berichtet eine Polizistin als Zeugin. Schon der Garten des Hauses sei „mehr Müllhalde gewesen als Garten“.
Und: „Bereits am Hauseingang kam uns dieser beißende Uringestank entgegen. So sollte kein Kind leben.“
Weil es sieben seiner inzwischen neun Kinder stark vernachlässigt und misshandelt haben soll, steht seit Mittwoch ein Elternpaar in Düsseldorf vor dem Amtsgericht. Die Anklage wirft der 30 Jahre alten Mutter und dem 36 Jahre alten Vater Verletzung der Fürsorgepflicht und Misshandlung vor.
Der Staatsanwalt berichtet, wie Polizisten die Kinder im Januar 2015 bei einer Durchsuchung in Düsseldorf vorfanden: „Die Wohnung war in völlig verwahrlostem und verdrecktem Zustand. Für die Kinder gab es nicht einmal genügend Matratzen. Die vorhandenen waren voller Kot- und Urinflecken. Die Kinder waren verlaust, hatten verdreckte Gesichter und schmutzige, löchrige Kleidung. Sie gaben an, zum Frühstück Gummibärchen und ungekochte Nudeln gegessen zu haben.“
Durch die monatelange Vernachlässigung hätten die Kinder, die heute in staatlicher Obhut lebten, krankhafte Zustände wie massiven Kariesbefall entwickelt. Sie zeigten massive Verhaltensauffälligkeiten, verrichteten überall ihre Notdurft, seien aggressiv, hätten eine sexualisierte Sprache und ein großes Vokabular von Schimpfwörtern mit Nazi-Ausdrücken.
Zur Aussage der deutschen Angeklagten wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Ein Verteidiger berichtet später, beide hätten die Vorwürfe teilweise eingeräumt. Zu einem ersten Gerichtstermin in der vergangenen Woche waren die Eltern nicht erschienen. Die Polizei konnte sie aufspüren und verhaften.
Der Vater, der im schwarzen Totenkopf-Shirt den Saal betritt, ist laut Gericht wegen Gewalttaten vorbestraft. Er habe sich extrem aggressiv verhalten, berichtet die Polizistin, die mehrmals am Haus der Familie war.
Im Gerichtsflur übernimmt der Vater der Angeklagten die Verteidigung seiner Tochter: „Das sind die besten Eltern, die man sich vorstellen kann. Wir sind Sinti, Schausteller, wir sind total kinderlieb. Die Kinder bekamen nur Zucker in den Po geblasen, nur Markenklamotten“, behauptet er - und macht die Stadt für die Vorgänge verantwortlich: „Meine Tochter war überfordert mit so vielen Kindern. Als sie das Jugendamt um Hilfe gebeten hat, haben die Null reagiert.“
Bereits 2014 war eine Tochter des Paares in die Uniklinik Düsseldorf eingeliefert worden. Ärzte stellten alte und frische Rippenbrüche und blaue Flecken an dem Baby fest. Die Mutter habe behauptet, das Kind sei aus dem Kinderwagen gestürzt. Doch die Ärzte äußerten Zweifel an dieser Version. Das Jugendamt habe die Familie gekannt, berichtet die Polizistin. „Wir sind in der Familie drin“, habe es geheißen.
Der Prozess wird kommende Woche fortgesetzt. Dann könnte auch bereits das Urteil verkündet werden. dpa