Solinger Überlebende des Schiffsunglücks: „Alles war total chaotisch“
Natascha Kohl und Oliver Tank sind wohlbehalten zurück in Solingen. Sie waren an Bord der „Costa Concordia“.
Solingen. Sonntagnachmittag, kurz nach 14 Uhr: Wortlos fallen sich Mutter und Tochter auf der Straße in die Arme. Tränen fließen. Natascha Kohl (26) und ihr Freund Oliver Tank (24) kehren heim nach Solingen. Sie waren auf dem verunglückten Kreuzfahrtschiff „Costa Concordia“.
Auf dem Sofa ihrer Eltern beginnen beide das Erlebte zu erzählen — stockend: Sie sitzen beim Essen im Schiffsrestaurant. „Da ging plötzlich ein Ruck durch das Schiff und das Licht ging aus“, schildert Oliver Tank. Teller fallen zu Boden. „Erst dachten wir, wir haben starken Seegang.“ Dann bricht Panik aus.
„Die haben uns die ganze Zeit gesagt, dass es nur ein technischer Defekt ist“, sagt Natascha Kohl. „Wir sollten in die Kabinen gehen.“ Sie laufen aufs Deck, schnappen sich Rettungswesten. Sie sind auf der sich neigenden Seite des Schiffs. Die Pools laufen über, alles ist rutschig. „Ich hab’ überlegt, ob wir springen sollen“, sagt Oliver Tank.
Mehr als 40 Minuten hätten sie wohl dagestanden, ohne zu wissen, was passiert. „Sie ließen uns nicht auf die Rettungsboote“, erinnert sich Natascha Kohl. Einige Boote konnten durch die Schräglage nicht einmal mehr zu Wasser gelassen werden. „Man hat gemerkt, dass das Schiff immer weiter sank“, sagt Oliver Tank. „Nie hätte ich gedacht, dass so ein Riesenschiff sinken kann.“
Nach einer gefühlten Ewigkeit konnten sie auf die Rettungsboote, dicht an dicht saßen sie dort und warteten darauf, zu Wasser gelassen zu werden. In der Nacht zu Samstag meldete sich Natascha Kohl telefonisch von der Insel Giglio bei ihren Eltern, sagte Bescheid, dass es ihnen gut geht.
Die Nacht verbringen sie im Freien. „Die Bewohner der Insel haben Decken und Pullis gebracht, aber es war so kalt.“ Notunterkünfte wie eine Schule oder Kirche sind überfüllt. „Da waren Menschen, die saßen im Rollstuhl und hatten nur einen Schlafanzug an. Es war alles total chaotisch“, berichtet Natascha Kohl.
Im Morgengrauen bringt sie eine Fähre ans Festland. Von da aus geht es mit dem Bus nach Rom. Endlich im Hotel angekommen, fühlen sich beide dort alles andere als wohl. Kohl: „Die Gänge sahen so ähnlich aus wie auf dem Schiff — es war fürchterlich.“ Sie bekommen Kontakt zur deutschen Botschaft: Am Abend gehe der Flieger nach Deutschland. Die Eltern, die von Deutschland aus ebenfalls mit verschiedenen Behörden Kontakt aufgenommen hatten, sind überglücklich. Sie haben die Nachrichten mit Tränen in den Augen verfolgt. „Nicht auszumalen, was alles hätte passieren können. Meine Frau und ich trauern mit den Angehörigen der Opfer“, sagt Michael Kohl.
In den nächsten Tagen wollen Natascha Kohl und Oliver Tank versuchen, zur Ruhe zu kommen. Und es stehen Behördengänge an: Alle Papiere sind im Mittelmeer geblieben. Alles, was Natascha Kohl außer der Kleidung, die sie trug, nach Hause mitbringt, sind ihr Handy, eine Kamera und die „Costa Card“ — für die Tür zur Schiffskabine.