Sonntagsöffnung: Gerichte kippen Beschlüsse
Um verkaufsoffene Sonntage ringen Verdi und der Handel seit Jahren. Ein neues Gesetz hat den Streit nicht schlichten können.
Düsseldorf/Münster. Am siebten Tage sollst du ruhen — oder doch ausnahmsweise shoppen? Seit Jahren tobt zwischen Städten, Handel, Kirchen und Gewerkschaften ein Streit um das Recht, auch sonntags gelegentlich Läden und Einkaufszentren zu öffnen. Reihenweise klagte Verdi gegen geplante verkaufsoffene Sonntage — vielfach mit Erfolg: In den vergangenen zwei Jahren gab es rund 70 Vetos der Verwaltungsgerichte. Mit einem neuen Gesetz sollte nun alles anders werden. Doch erneut haben Kommunen mit ihren Planungen vor Gericht Schiffbruch erlitten. Heute kommt das Thema auf die Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses im Land. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Was hat aktuell neuen Anstoß für die Debatte gegeben?
Von einer Gesetzesänderung hatte sich die schwarz-gelbe Landesregierung mehr Rechtssicherheit und bessere Handhabung für die Kommunen versprochen. Doch in mehreren Fällen ging Verdi per Eilverfahren gegen Städte vor, die aus ihrer Sicht verkaufsoffene Sonntage schlecht begründet hatten. Verwaltungsgerichte verboten unter anderem das Sonntagsshopping in Hagen, Lüdenscheid, Leverkusen und gleich zweimal in Kreuztal. In Coesfeld durften Läden anders als vorgesehen nur in der Innenstadt öffnen.
Was war die Kritik der Richter?
Im Fall der kleinen Kommune Kreuztal im Kreis Siegen-Wittgenstein bemängelte das Oberverwaltungsgericht in Münster, es seien nicht „ansatzweise öffentliche Belange mit Ausnahmecharakter“ aufgezeigt. Doch genau das sei nötig, um offene Läden am Sonntag zu rechtfertigen. Pauschale Behauptungen, die Ladenöffnung läge im öffentlichen Interesse, reichten nicht aus. Vielmehr müsse für die Bevölkerung erkennbar bleiben, dass es sich um Ausnahmeregelungen handele.
Wie ist der Sonntagsschutz geregelt?
Sonn- und Feiertage sind als arbeitsfreie Ruhetage vom Grundgesetz geschützt. Wer nicht unbedingt muss, wie Rettungskräfte oder die Feuerwehr, darf also nicht arbeiten. Dieser Schutz kann im Interesse anderer gewichtiger Gründe ausnahmsweise angetastet werden — allerdings nur gut begründet. 2009 wies das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass ein bloßes wirtschaftliches Interesse von Einzelhändlern oder die sonntägliche Shoppinglust der Kunden nicht für eine Genehmigung reiche. Auf Landesebene regelt zudem ein Ladenöffnungsgesetz die Sache.
Was hat sich mit dem neuen Landesgesetz verändert?
Zum einen hat sich die maximal erlaubte Zahl der verkaufsoffenen Sonntage von vier auf acht pro Jahr verdoppelt. Allerdings müssen die Kommunen ein „öffentliches Interesse“ an der Ladenöffnung nachweisen, etwa die Belebung der Innenstädte, die Stärkung des Einzelhandels oder einen Zusammenhang mit örtlichen Festen und Märkten. Das Oberverwaltungsgericht hat in den aktuellen Fällen jedoch betont, dass jeder individuelle Fall gut begründet sein muss. Wie schwierig eine rechtssichere Begründung offenbar ist, zeigt die Reaktion der Landesregierung auf die gescheiterten Sonntagsöffnungen: In einer 38-seitigen Handreichung erklärt das Wirtschaftsministerium, wann verkaufsoffene Sonntage möglich sind ohne gegen die Verfassung zu verstoßen. Rechtssicherheit sieht anders aus, kontert Verdi.
Welche Argumente haben Befürworter einer Liberalisierung des Sonntagsschutzes?
Der Onlinehandel boomt und macht den Läden Konkurrenz. Düsteren Prognosen zufolge könnten zwischen 45 000 und 50 000 Läden vor Ort gefährdet sein. Sonntagsshopping soll dagegen entspannte Kunden in die Innenstädte locken und so die Lust am Einkaufen vor Ort fördern, Geld in die gebeutelten und verödenden Innenstädte pumpen. Und was erwidern die Gegner?
In einer „Allianz für den freien Sonntag“ haben sich unter anderem Kirchen und Gewerkschaften zusammengeschlossen, um für den freien Sonntag als wertvolles Kulturgut einzutreten. Verdi hat angekündigt genau hinzusehen, was nordrhein-westfälische Städte mit dem Ladenöffnungsgesetz machen: „Wir werden die Genehmigungen für Sonntagsöffnungen weiterhin darauf prüfen, ob die strengen Vorgaben der Verfassungs- und Verwaltungsgerichte eingehalten werden und dort, wo das nicht der Fall ist, gegebenenfalls auch klagen“ teilte Silke Zimmer, bei Verdi NRW zuständig für Handelsthemen, mit.