Sozialarbeiter, Konfliktmanager, Lehrer
Hauptschullehrer machen zwar einen schweren Job, haben aber keine Lobby. Drei Betroffene erzählen aus ihrem Alltag.
<strong>Krefeld. Die Hauptschule trägt den Makel einer Restschule. Von der schwarz-gelben Landesregierung ist sie zwar ausdrücklich gewollt, doch die Anmeldezahlen gehen stetig zurück. Etlichen der knapp 750Hauptschulen in NRW droht die Schließung. Denn hier landen nur noch jene Kinder und Jugendliche, von denen die anderen weiterführenden Schulen nichts wissen wollen. Die "schwierigen" Schüler, die mit Migrationshintergrund oder die häufig aus einem Elternhaus kommen, in dem der Erziehungsauftrag gleich ganz an die Institution Schule übertragen wird.
Wer hier unterrichtet, ist nicht nur Vermittler von Fachwissen, sondern auch Sozialpädagoge, Konfliktmanager und Integrationsexperte. Doch diese Mehrfachbelastung wird nicht honoriert. Hauptschullehrer geben mit 28 bis 29Wochenstunden in der Regel fünf Stunden mehr als Kollegen an Gymnasien und Gesamtschulen in der SekundarstufeI - egal, ob sie sogenannte Korrekturfächer unterrichten. Zudem werden sie schlechter bezahlt.
Auf Unterstützung warten sie vergeblich. Während etwa der NRW-Philologenverband ein Arbeitszeitmodell propagiert, das Lehrkräfte an Gymnasien, Gesamtschulen und Kollegs entlasten soll, scheinen Hauptschullehrer keine Lobby zu haben. "Wir fühlen uns in keinster Weise vertreten. Niemand weiß, was an unserer Schulform los ist", klagen Karl-Heinz Rosenberg (45), Michael Cornély (45) und Boris Czich (49) von der katholischen Stephanus-Hauptschule in Krefeld.
Seit Jahren nehme das Leistungsniveau ab, würden die Schüler immer verhaltensauffälliger. "In einer Klasse von 28, 30 Schülern sitzen vier bis fünf Problemfälle", sagt Czich. Besonders schlimm sei es nach den Wochenenden. "Montags sind wir vor allem Sozialarbeiter", berichtet Rosenberg. Streit in der Familie, Verwahrlosung, die Betreuung jüngerer Geschwister, Horrorfilme - all das erschwere den Unterricht. "Mir fehlt oft die Phantasie, was die Schüler an den freien Tagen erleben", fügt Czich hinzu. Auf die Dauer sauge das einen aus. Nicht zuletzt, weil man dafür nicht ausgebildet sei - obwohl die Sozialarbeit inzwischen rund 20Prozent der Arbeit ausmache.
Stattdessen wächst der Druck. Schulministerin Barbara Sommer (CDU) bürdet den Lehrern Jahr für Jahr zusätzliche Projekte und Reformen auf. Allein die "Qualitätsoffensive Hauptschule" sieht neue Lernbereiche wie "Berufsorientierung" und "Lebensplanung" vor. Zudem soll die individuelle Förderung intensiviert werden. "Wie geht das bei 30 Schülern in einer Klasse?", fragen die drei. "Gemessen am Ausland sind wir erbärmlich ausgestattet. Wir hinken 20Jahre hinterher."
Ein Streik, mit dem etwa die Angestellten im Öffentlichen Dienst gedroht hatten, kommt für die Lehrer indes nicht in Frage. "Wir sind in einer dummen Situation", sagt Rosenberg. Da der Unterricht sichergestellt werden müsse, ginge ein Ausstand stets zu Lasten der verbeamteten Kollegen, die nicht streiken dürfen.
Von der Hauptschule sind die drei aller Probleme zum Trotz überzeugt. "Das ist die ehrlichste Schulform." Die Schüler würden unterschätzt. Cornély: "Die meisten wollen lernen und einen Abschluss." Aus der Wirtschaft gebe es viele positive Signale. "Was auch daran liegt, dass wir versuchen, unsere Schüler mit alten Sekundärtugenden wie Höflichkeit, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit ins Leben zu entlassen."