Polizeifahndung Spurlos verschwunden - Suche nach einer „ganz normalen Familie“
Eine dreiköpfige Familie ist in der Nähe von Hamburg verschwunden, seit Tagen schon. Die Polizei sucht mit Spürhunden, in der Elbe sind Taucher im Einsatz, auch ein Hubschrauber war beteiligt. Wo sind Vater, Mutter und Tochter?
Drage. Den Vater im Auto der Familie wollen Zeugen am Donnerstag in dem kleinen Örtchen Drage an der Elbe noch gesehen haben. Seitdem ist der 41-Jährige verschwunden. Auch seine zwei Jahre ältere Frau und die zwölfjährige Tochter werden vermisst. Die Polizei hat Fotos und Namen der drei veröffentlicht. Am Mittwoch war letzter Schultag, jetzt sind Sommerferien in Niedersachsen. „Ein spontaner Kurzurlaub ist nahezu ausgeschlossen“, sagt Polizeisprecher Jan Krüger.
Sonst gibt er sich schweigsam, auch aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes, wie er betont. Das Auto der Familie stand vor der Tür, die Polizei hat es beschlagnahmt. „Die Untersuchung brachte keine auffälligen Ergebnisse.“ Es ist ein Rätsel.
„Wir haben noch keine heiße Spur“, betont Krüger am Dienstag. Auch die möglichen Hintergründe des Verschwindens liegen im Dunkeln. „Noch ist alles offen.“ Krüger steht am Ufer der Elbe im Windschatten der Einsatzfahrzeuge. Ein Polizeitaucher steigt gerade in ein Motorboot der Feuerwehr, dann geht es flussabwärts. Strammer Wind weht über den Fluss, fegt durch Bäume und dichte Schilfgürtel, graue Wolken ziehen über die flache Elbmarsch.
Das Haus der Familie liegt nur etwa einen Kilometer von hier entfernt, wo gerade rund 30 Polizisten und Feuerwehrleute auf der Suche sind. Drage ist ein Dörfchen im Landkreis Harburg. Am Ortsrand weiden noch Kühe, aber hier im Speckgürtel von Hamburg haben auch viele Pendler ihre Häuschen. Bis zur Stadtmitte von Winsen sind es nur acht Kilometer. In einer 30er-Zone stehen hübsche Einfamilienhäuser, viele Neubauten mit modischen Elementen im Landhausstil. Das Haus der Familie ist ein einfacher Rotklinkerbau, Fransengardine vor dem Wohnzimmerfenster, rotes Ziegeldach, weiße Tür. Darauf prangt ein gelbes Siegel der Polizei.
„Wer dieses Siegel unbefugt beschädigt, ablöst oder unkenntlich macht oder den dadurch bewirkten Verschluss unbefugt unwirksam werden lässt, macht sich nach § 136 StGB strafbar“, heißt es darauf - „24.07.15“ ist handschriftlich hinzugefügt worden. Das Beet vor der Tür ist gepflegt. Auf dem Rasen sind Löwenzahn und Klee dabei, die Oberhand zu gewinnen.
Die Nachbarn wollen nicht mit der Presse reden. Nach dem Klingeln ist Hundegebell zu hören, aber die meisten Türen bleiben verschlossen. „Wir sind alle geschockt, wir geben keine Interviews“, sagt ein Anwohner und macht die Tür gleich wieder zu, während ein Polizeiwagen eine Runde durch die stille Siedlung dreht. „Kein Kommentar“, sagt ein anderer Anwohner, um dann doch so kurz wie ratlos „ganz normale Familie“ hinterherzuschieben. Dann schließt sich auch diese Tür.
Plötzlich Unruhe: Eine Katze versucht, sich aus einem Schuppen der verschwundenen Familie zu befreien, sie hat sich im keilförmigen Spalt des auf Kipp gestellten Fensters eingeklemmt. Das Tier schreit und schlägt um sich, dann wird es von Journalisten befreit. „Eine wurde gestern schon abgeholt“, sagt ein älterer Herr. Mehr möchte auch er nicht sagen, er sei nicht von hier.
Auf der anderen Seite vom Deich stehen noch die Einsatzfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr. Warum konzentriert sich die Suche gerade auf diesen Abschnitt der Elbe? „Das ist eine beliebte Badestelle, wo man vom Ort gut hinkommt“, sagt Krüger. Die Schilfgürtel am Ufer und die Waldgebiete der Umgebung haben sie schon durchsucht, am Mittag packen sie ein. „Jetzt konzentrieren wir uns vor allem weiter auf die Ermittlungsarbeit“, sagt Krüger. Ein grünes Herrenrad aus dem Haushalt ist verschwunden, wie die Polizei bekanntgibt. Viele Spuren scheint es tatsächlich nicht zu geben.