Streetdance trifft Ballett: Ailey am Puls der Zeit

Frankfurt/Main (dpa) - 25 Jahre nach dem Tod von Alvin Ailey gelingt es seiner Tanz-Company noch immer, das Bewegungsrepertoire junger Schwarzer in mitreißende Choreographien für ein überwiegend weißes Publikum zu verwandeln.

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Allerdings haben sich die Stücke des Alvin Ailey American Dance Theater inzwischen weit von den Anfängen entfernt. Und das ist gut so, wie die Deutschland-Premiere am Donnerstagabend in der Frankfurter Alten Oper gezeigt hat.

„Home“ hat der junge Hip-Hop-Choreograph Rennie Harris für die Ailey-Tänzer geschrieben. Ein 18-minütiges Stück Gegenwart, das vor inneren Widersprüchen zu bersten scheint. Die Musik: elegische Klavierklänge und ein treibender Beat, überlagert durch eine Melodie aus Atemgeräuschen. Der Tanz: Breakdance in Zeitlupe und rasend schnelle Moves; Streetdance wie für ein Musikvideo und dazwischen klassische Ballettfiguren. Die Tänzer tragen Straßenkleidung und Turnschuhe, und doch zeigt jede Bewegung, wie perfekt sie sind, welche Kraft sie haben und welche Energie.

Das Stück, das zum ersten Mal in Deutschland zu sehen war, beweist, warum diese Truppe noch immer weltweit erfolgreich ist: Sie wurde nie zu einem Musentempel für den Meister, auch wenn die alten Stücke - dem Publikum zuliebe oder um den Gründer zu ehren - immer wieder gezeigt werden.

Der Ailey-Klassiker „Revelations“ stammt aus dem Jahr 1960 und sieht - mit Verlaub - auch so aus: weiße Rüschenkleider und Sonnenschirme für die Frauen, Männer in Anzughosen und gestreiften Westen, das Bühnenbild eine untergehende Sonne am Südstaatenhimmel, Gospelmusik und eine Choreographie, die die Tänzer nicht fordert.

Was sie können, wenn sie dürfen, zeigt das Solo „In/Side“, eine Choreographie des derzeitigen künstlerischen Leiters Robert Battle von 2008: Kirven Douthit-Boyd tanzt das atemberaubende Solo zu einer Ballade von Nina Simone fast nackt.

Auch „Grace“, ein Stück von 1999 mit Tänzern in rot und weiß, ist auf seine Weise charakteristisch. Es zeigt, dass die Ailey-Choreographien vor allem für die Gruppe gedacht sind. Nur selten finden sich Paare zusammen und auch dann bleibt die Begegnung flüchtig. Und es beweist, dass bei dieser Truppe Arme, Hände und Schultern ebenso wichtig für den Ausdruck sind wie Beine und Rumpf.

Alvin Ailey wurde 1931 in Texas geboren. Als Jugendlicher zog er nach New York, nahm Tanzunterricht, übernahm - mit nur 22 Jahren - das Ballett von Modern-Dance-Pionier Lester Horton. 1958 gründete er seine eigene Tanzkompanie, in der er hauptsächlich Afroamerikaner beschäftigte. Inzwischen wurden einige wenige Weiße aufgenommen. Er starb 1989 im Alter von 58 Jahren an Aids.

Inzwischen ist aus „Ailey“ eine Marke geworden: Nicht nur in der Art des Tanzes, sondern auch als Bildungseinrichtung. In dem gläsernen Hauptquartier in Manhattan gibt es Tanzkurse für jedermann, mit „Ailey II“ wurde eine Nachwuchsgruppe aufgebaut, in einem „Lab“ können sich junge Choreographen erproben. Auf Tournee ist das Original noch immer eine der erfolgreichsten US-Companys.

In Frankfurt ist das Alvin Ailey American Dance Theater noch bis Sonntag zu sehen. Danach gibt es Gastspiele in Köln (15. bis 27. Juli) und München (29. Juli bis 10. August). Auch Oslo, Zürich und Kopenhagen sind Stationen der Europa-Tournee 2014.