Tierisch exotische Einwanderer
Neozoen sind Tiere, die eine Heimat in Deutschland gefunden haben. Ihre Zahl steigt dramatisch.
Düsseldorf. Flamingos im Münsterland, Halsbandsittiche in Düsseldorf und Marderhunde in Westfalen. Mittlerweile leben in Deutschland über 1500 solcher fremdländischen Tierarten - die Neozoen (siehe Kasten). Wir stellen einige exotische und mittlerweile hier beheimatete Tierarten vor, die zum Teil auch heimische Tierarten verdrängen.
Eine besondere Attraktion unter den Neozoen in NRW ist der Flamingo. Seit rund 25Jahren lebt eine gemischte Flamingopopulation im Zwillbrocker Venn in Vreden im Westmünsterland. Das benötigte Nahrungsangebot des Vogels befriedigt das moorige Gebiet, und auch Fressfeinde gibt es nicht. Wo die exotischen Tiere hergekommen waren, konnte nicht nachgewiesen werden. Fest steht aber, dass sie sich gut eingelebt haben, jedes Jahr zur Brut zurückkehren.
Diese Vögel stammen aus Afrika und Asien, werden auch Alexandersittich genannt und sind die am weitesten verbreitete Papageienart. In ihren überwiegend grünen Federkleidern fliegen sie meist in Kolonien entlang der Rheinschiene. "In Düsseldorf, Köln und Bonn halten sie sich am häufigsten auf", sagt Birgit Königs, Sprecherin vom Naturschutzbund NRW. "Die Rheinniederung ist im Winter milder als beispielsweise das Sieger- oder Sauerland. Dort wird man die Sittiche nicht vorfinden." Halsbandsittiche sind Höhlenbrüter und bevorzugen die Baumhöhlen in Platanen als Brutmöglichkeit.
Diese Verwandte des Meerschweinchens ist hierzulande eher unter dem Namen Biberratte bekannt. Ursprünglich war die Nutria in Südamerika beheimatet, mittlerweile wird sie weltweit in Pelztierfarmen gehalten, kommt aber auch in der freien Natur vor. Zum Teil wurden die Nagetiere ausgesetzt, zum Teil sind einzelne Tiere aus Pelztierfarmen entkommen und haben sich vermehrt. Sie bewohnen Flüsse, deren Ufer dicht bewachsen sind. In Europa können sie nur in Regionen überleben, in denen die Winter mild sind.
Die aus Nordamerika stammende Art kann bis zu 75 Jahre alt, 35Zentimeter lang und vier Kilogramm schwer werden. Die Rotwangen-Schmuckschildkröte gehörte lange Zeit zu den häufigsten Schildkröten, die im Tierhandel erhältlich waren. Inzwischen wurde der Handel stark eingeschränkt. Arno Geiger, Biologe : "Diese Schildkröten wachsen sehr schnell. Die Haltung wird dadurch schwerer, deshalb werden sie häufig ausgesetzt", so Geiger.
Freiwillig kam der Ochsenfrosch nicht nach Europa. Seine ursprüngliche Heimat ist Nordamerika. Durch den Verkauf in Zoogeschäften schaffte er den Sprung über den Atlantik. Ähnliche klimatische Bedingungen ermöglichten dem Ochsenfrosch, sich auch hier zu etablieren. Mit einer Körperlänge von bis zu 20 Zentimetern und einem Gewicht von bis zu 600 Gramm zählt er zu den größten Froscharten. Zum Leidwesen der Tierschützer frisst er die heimische Art.
Er wird auch Enok genannt und ähnelt einer Mischform aus Mardern und Hunden. Sein Verbreitungsgebiet ist Sibirien. "Natürlicherweise breitet sich der Marderhund immer mehr gen Westen aus", sagt Geiger. Am häufigsten kommt er in Mecklenburg-Vorpommern vor, erste Exemplare wurden Anfang der 80er Jahre auch in Westfalen gesichtet. Da sie Allesfresser sind und sich an die Witterung anpassen können, werden sie sich weiter ausbreiten.
Definition Neozoen (griechisch; Einzahl: Neozoon, Mehrzahl: Neozoa, eingedeutscht Neozoen) sind alle Tiere, die nach Beginn der Neuzeit 1492 in ein für sie fremdes Land auf natürliche Weise eingewandert oder durch menschlichen Einfluss dorthin gelangt sind. Moderne Transportwege spielen dabei eine große Rolle. Die meisten Tiere waren entweder blinde Passagiere auf Schiffen, wurden ausgesetzt oder entkamen aus Pelztierfarmen.
Wissenschaft Die Wissenschaft, die sich mit Neozoen beschäftigt, heißt Invasionsbiologie. Forschungsthemen sind unter anderem die Voraussetzungen, die dazu führen, dass Arten sich in neuen Gebieten etablieren und ausbreiten, deren Folgen und Möglichkeiten zur Bekämpfung.
Einbürgerung Als Faustregel für die Einbürgerung neuer Arten gilt die Zehnerregel: Von 1000 können nur rund zehn Prozent in dem neuen Lebensraum überleben. Von diesen 100Arten können sich aber wiederum nur zehn Prozent, also zehn Exemplare, auf Dauer fortpflanzen und sich etablieren.