Tillmann Hahn: Der Mann, der die großen Acht bekocht

Der 37-Jährige mit dem leicht hessischen Akzent ist beim Polit-Gipfel an der Ostsee für die Menüs zuständig. Von Aufregung will der Küchenchef nichts wissen.

<strong>Düsseldorf. "Guten Abend, ich bin Tillmann Hahn, der Küchenchef dieses Hauses. Ich hoffe, Sie sind zufrieden mit dem Essen." Der 37-Jährige steht an einem der zehn Tische im Gourmet-Restaurant "Friedrich Franz" des Kempinski Grand Hotels im Ostseebad Heiligendamm. Eben hat das Paar ein Vier-Gänge-Menü beendet. Es gab unter anderem mild geräucherte Anjou-Taube mit einem Parfait von Schwarzwurzeln und Perigord-Wintertrüffeln sowie Jakobsmuscheln mit Drei-Kaviar-Schmand und geröstetem Keniabohnensalat. Die zwei sind sichtlich zufrieden.

Was nicht weiter verwundert, denn sie speisen bei einer der nobelsten Adressen Mecklenburg-Vorpommerns, auch wenn das schlicht gehaltene Restaurant eher einen Eindruck von Understatement vermittelt. Zudem sind die Gäste nicht auffallend vornehm gekleidet.

"Wir sind ein Haus, in dem Urlaub gemacht wird, wo sich die Gäste erholen wollen", sagt Hahn mit seinem leichten hessischen Akzent, da passt eine steife Abendgarderobe nicht dazu.

So macht denn der Hotelkomplex das Exklusive, das Noble aus. Er wird gebildet von sechs im klassizistischen Stil und ganz in Weiß gehaltenen Gebäuden - das Kempinski wurde im Jahr 2004 zum schönsten Hotel der Welt gekürt.

Was schier an ein Wunder grenzt, wenn man sich das Bild der Häuser nach dem Mauerfall vor Augen hält. Grau in grau, heruntergekommen, zerfallen. Nach historischem Vorbild wurde Deutschlands ältestes Seebad (1793 gegründet) mit einem Aufwand von bislang fast 250 Millionen Euro saniert und im Juni 2003 wiedereröffnet.

Noch sind die Wunden der Vergangenheit an vielen Stellen des Geländes zu finden, noch müssen in den kommenden Jahren hunderte Millionen investiert werden. Dennoch wurde das Kempinski von der Bundesregierung als Schauplatz des G8-Gipfels in der nächsten Woche ausgesucht. Möglicherweise als Symbol für den aufstrebenden Osten Deutschlands.

Die Staats- und Regierungschefs der acht wichtigsten Industriestaaten dieser Erde werden erwartet, und seit Tagen ist das ansonsten so beschauliche Heiligendamm eine hermetisch abgeriegelte Hochsicherheitszone. Der rund 20 Kilometer westlich von Rostock gelegene Ort steht im Brennpunkt des Weltgeschehens. Und es wird die Aufgabe von Hahn sein, die Staatsgäste zu bekochen und mit dem Essen die Grundlage für gute Stimmung zu schaffen.

Aufgeregt ist der Küchenchef nicht. Dazu hat er in seinem Berufsleben zu viel erlebt. So führte er den "Mandarin Grill" in Hongkong zu einem der zehn "Greatest Hotel Restaurants in the World". In Hongkong lernte er auch seine Frau kennen, das Paar hat inzwischen zwei kleine Kinder. Es ist seine Philosophie, dass ein Koch ein herzlicher Gastgeber für jeden seiner Gäste sein soll. Da spielt es keine Rolle, ob Politiker oder Tourist.

Neben den Gästen im "Friedrich Franz" finden rund 100 weitere im weitaus größeren Kurhaus-Restaurant Platz. Im Gegensatz zum Sterne-Restaurant, wo die französische Küche Ideengeber ist, gibt es im Kurhaus in erster Linie regional inspirierte Kost. "Das kann auch mecklenburgisch-deftig daherkommen", sagt Hahn. Mit Schweinebraten zum Beispiel.

Das Sterne-Restaurant ist nur an fünf Tagen in der Woche abends geöffnet - wegen des gehobenen Standards. Hahn erklärt: Wenn man dieses hohe Niveau "auf relativ einfache Weise" halten wolle, sei es wichtig, über längere Zeit mit den gleichen Leuten zu arbeiten. Und so ist das ein ganz eingespieltes Team in der kleinen Hotelküche. Der 23-jährige Jungkoch Matthias Stolze ist sehr froh, ein Teil davon zu sein: "Es ist eine richtig große Ehre, hier zu arbeiten."

Stolze wird in Kürze im Kempinski-Hotel in Shenyang nordöstlich von Peking arbeiten. In Heiligendamm lernt der gebürtige Rostocker, auf höchstem Niveau mit Lebensmitteln aus der Region und mit exotischen Speisen umzugehen. "Heiligendamm ist eine Empfehlung bei jedem anderen Arbeitgeber", sagt er.

Er ist einer der Glücklichen, die es geschafft haben, bei Hahn zu lernen. Auch deshalb, weil er über die Grundeigenschaften verfügt, die nach Hahns Ansicht jeder Koch mitbringen muss: wissbegierig sein, lernen wollen und immer - trotz langer Arbeitszeiten und schwieriger Arbeitsbedingungen - wissen, dass man ein Dienstleister ist.

Denn immer noch hat der Beruf Koch nach Meinung des Küchenchefs nicht das beste Image. "Wer nichts wird, wird Wirt, wer gar nichts wird, wird Bahnhofswirt", zitiert Hahn einen Witzklassiker aus seiner Branche.

Und welche Zukunftswünsche hat ein Küchenchef, der mit einem Michelin-Stern geschmückt ist? Einen zweiten oder gar dritten Stern? "Nein", sagt Hahn bestimmt. Schon eher ein kleines, aber exklusives Restaurant auf dem Lande. "Ich kenne keinen Koch, der nicht davon träumt, aber auch keinen, der dies in die Tat umgesetzt hat." Hahn grinst und geht wieder in seine Küche.